I. Verwendung im Grundbuchverfahren
Rz. 26
Einen Sonderstatus nimmt das Handeln des postmortal Bevollmächtigten ein. Wiewohl üblicherweise bei § 35 GBO besprochen, handelt es sich m.E. inhaltlich um eine Erweiterung des § 36 GBO, indem in weiteren Situationen von einer Offenlegung des Erbfalls im Grundbuch abgesehen wird. Anerkannt ist in Fortentwicklung der Dogmatik des BGB, dass eine Vollmacht auch über den Tod hinaus (transmortal) oder sogar überhaupt erst mit Wirkung ab dem Tod (postmortal) erteilt werden kann. Die Zulassung dieser Vollmachtsformen hat – trotz fehlender klarer Aussage im Gesetz – einige dogmatische Anhaltspunkte für sich, so § 672 S. 1 BGB mit daran geknüpfter Fortbestehensvermutung des § 168 S. 1 BGB sowie den ausdrücklichen (indes kaum jemals sachenrechtliche Verfügungen betreffenden) Fall des § 1698b BGB auch § 1874 Abs. 2 BGB. Als noch entscheidender erweisen sich aber §§ 130 Abs. 2, 153 BGB sowie §§ 170–172 BGB und der durch sie vermittelte Vertrauensschutz des Vertragspartners (auch des Bevollmächtigten selbst, § 179 BGB): Da Willenserklärungen über den Tod hinaus gelten, sollen die Erklärungsempfänger eben nicht den Fortbestand der Vollmacht im Hinblick auf ein mögliches Ableben des Vollmachtgebers hinterfragen müssen. Der Bevollmächtigte muss auch nicht die Erben namhaft machen oder ihre Zustimmung einholen.
Rz. 27
Der eingetretene Erbfall ändert aber nichts daran, dass nicht für den Vollmachtgeber = Erblasser gehandelt wird (deswegen kein Fall des § 35 GBO), sondern unter Nichtoffenlegung des Erbfalls im Grundbuch für die Erben. Deswegen kann jeder Erbe für sich die Vollmacht widerrufen; wegen § 2040 Abs. 1 BGB führt schon der Widerruf nur eines von ihnen dazu, dass der Bevollmächtigte alsdann nicht mehr allein handeln kann. Vorbehaltlich seiner Unkenntnis vom Erbfall und eines zu seinen Gunsten darauf aufbauenden Vertrauensschutzes hat Bevollmächtigte bei seinem Handeln die Interessen des Erben zu wahren. Nur ist diese Interessenwahrungspflicht allein Maßstab des Innenverhältnisses zwischen den Erben als (jetzt) Vollmachtgebern und dem Bevollmächtigten und damit kein Prüfungsmaßstab für GBA oder Notar.
Rz. 28
Die Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten aber nicht zur Offenlegung der Erben im Wege der Grundbuchberichtigung (d.h. durch Eintragung der ungeteilten Erbengemeinschaft). Aus den Vertrauensschutznormen folgt eine berechtigte Erwartung des Rechtsverkehrs – auch des GBA – über den Fortbestand der Vollmacht. Ein besonderes Vertrauen auf die Richtigkeit der Erbfolge ist damit aber nicht verbunden. Ebenso wenig berechtigt die Vollmacht (ohne Erbschein) zur Vornahme von Erbteilsübertragungen.
Rz. 29
In nochmaliger Erweiterung des Anwendungsbereichs bleibt die trans-/postmortale Vollmacht auch dann tauglich, wenn der Dritte und/oder das GBA vom Ableben des Vertretenen weiß. Dann erscheint zwar ein Vertrauensschutz des Dritten als nicht zwingend; jedoch folgt dies aus §§ 130, 153 BGB, die beide auch bei Kenntnis des anderen Vertragsteils vom Ableben des Vollmachtgebers gelten.
II. Transmortale Vollmacht und Testamentsvollstreckung
Rz. 30
Die transmortale Generalvollmacht (Entsprechendes muss erst recht für die Spezialvollmacht gelten) wird durch eine letztwillig angeordnete Testamentsvollstreckung nicht verdrängt. Weder erlischt sie automatisch mit Beginn (oder womöglich schon mit Anordnung) der Testamentsvollstreckung, noch kann der Testamentsvollstrecker die Vollmacht generell widerrufen. Das Verhältnis von transmortaler Vollmacht und Testamentsvollstreckung ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Widerrufen kann aber der Erbe, und zwar jeder Miterbe für sich (ausgenommen im Fall der unwiderruflichen, weil im Interesse des Bevollmächtigten erteilten Vollmacht – bei Generalvollmacht kaum denkbar). Insoweit ist die Testamentsvollstreckung dann wieder beständiger als eine Vollmacht.
III. Transmortale Vollmacht für den Alleinerben
Rz. 31
Probleme bereitet die Anerkennung der transmortalen Vollmacht, die dem Alleinerben erteilt ist. Die herrschende Meinung hält einerseits Anerkennung der transmortalen Vollmacht aus rechtsdogmatischen Gründen für geboten und aus rechtspraktischen Gründen für zweckmäßig, um insbesondere den Zeitraum zwischen Erbfall und Ermittlung des wahren Erben und dessen förmliche Legitimation durch Erbschein zu überbrücken. Damit geht einher, dass die gesetzliche Alternative der Bestellung eines Nachlasspflegers (§§ 1960, 1961 BGB) nachrangig, nämlich nur bei einem Fürsorgebedürfnis, gewährt wird. Im Spannungsverhä...