I. Allgemeines
Rz. 78
Mit EU-Verordnung Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 (EuErbVO), ABl L S. 107, wurde ein dem Erbschein gleichwertiges Nachweisdokument in Gestalt des ENZ für den Rechtsverkehr zwischen den an der EuErbVO teilnehmenden Mitgliedsstaaten eingeführt. Im ENZ sind Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis zusammengefasst. Dieses Zeugnis ist gedacht für den grenzüberschreitenden Verkehr und kann auch nur unter Darlegung eines grenzüberschreitenden Bezugs überhaupt beantragt werden (Art. 62 Abs. 1 EuErbVO). Ist das ENZ aber erteilt, gilt es auch im Inland (Art. 69 Abs. 2 EuErbVO). Das GBA darf also die fehlerhafte Erteilung, insbesondere den ggf. objektiv nicht gegebenen grenzüberschreitenden Bezug, nicht nachprüfen oder aus diesem Grund ein vorgelegtes ENZ zurückweisen. Das ENZ entfaltet, wie der Erbschein, weitgehende Tatbestandswirkung für das GBA (Art. 69 Abs. 2 EuErbVO). Zweifel des GBA an inhaltlicher Richtigkeit sind wie beim Erbschein auszuräumen. Die EuErbVO hat als Verordnung unmittelbare Geltung in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten und setzt sich bei Widersprüchen zum nationalen Recht aufgrund des Anwendungsvorrangs durch. Die EuErbVO kann und muss vom Nachlassgericht und GBA unmittelbar angewandt werden. Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber ein flankierendes Ausführungsgesetz (IntErbRVG) erlassen und in diesem Zusammenhang § 35 GBO um das ENZ ergänzt.
Rz. 79
Ein ausländisches ENZ ist unabhängig vom Ausstellungsort in jedem Fall verwendbar auch dann, wenn nach den anzuwendenden Verfahrensvorschriften eine geringere Richtigkeitsgewähr möglich erscheint und deswegen das ENZ – aus deutscher Sicht – nicht den Status einer öffentlichen Urkunde hätte. Die Einwände hiergegen (nämlich Anerkennung nur dann, wenn das ENZ zugleich öffentliche Urkunde sei) sind unbegründet. Die Feststellungsdokumentation und Verwendbarkeitsanordnung der EuErbVO ist vom Status der Urkunde als öffentliche Urkunde abstrahiert. Im Übrigen könnten voraussichtlich in einem solchen Mitgliedsstaat auch keine anderen öffentlichen Urkunden als anderweitiger Nachweis beschafft werden. Dementsprechend enthält § 35 GBO auch keine Einschränkung.
II. Form der Vorlage
Rz. 80
Vom ENZ werden lediglich beglaubigte Abschriften erteilt, die nur mit einer befristeten Geltungsdauer von 6 Monaten versehen sind. Eine Vorlage in Ausfertigung kann damit nicht verlangt werden (Art. 70 Abs. 3 EuErbVO). Das KG verlangt zur Befristung die Gültigkeit des ENZ bei Eintragung. Es bemisst die Kontrolle der Ausstellungsbehörde höher als den Schutz des Antragstellers vor von ihm nicht beeinflussbaren Verzögerungen im Grundbuchverfahren. § 878 BGB soll nicht anwendbar sein, da die Norm auch bei Kenntnis des GBA von einer Einziehung des Erbscheins zwischen Antrag und Eintragung nicht gelte. Umso wichtiger für die Praxis ist die vorherige (schnelle) Grundbuchberichtigung durch Offenlegung der Erbfolge.
Rz. 81
Die beglaubigte Abschrift ist jedenfalls nicht regelmäßig zu erneuern, um die Grundbucheintragung dauerhaft darauf zu stützen. Die Grundbuchberichtigung der Erbfolge, wenn erfolgt, trägt sich aus sich heraus und ist Vermutungsgrundlage nach § 891 BGB. Wegen dieser Befristung ist zu erwarten, dass die Anträge auf isolierte Grundbuchberichtigung durch Eintragung der Erbfolge (ohne gleichzeitige Verfügung) tendenziell zunehmen werden.
Rz. 82
Da gegenwärtig bereits der Erbschein in Ausfertigung vorgelegt werden muss (wegen der Gefahr der zwischenzeitlichen Einziehung), ist zu erwarten, dass die Grundbuchpraxis auch vom ENZ jeweils die beglaubigte Abschrift, unmittelbar von der Ausstellungsbehörde stammend, verlangen wird. Gleichwohl ist diese Analogie nicht in jeder Hinsicht überzeugend: Eine Einziehung sieht die EuErbVO für beglaubigte Abschriften nicht vor. Zum anderen kann – ebenso wie beim Erbschein – die doppelte Vorlagepflicht bei Beurkundung und Grundbuchvollzug den möglichen redlichen Erwerb zu Lasten des gutgläubigen Erwerbers vereiteln.
III. Vermächtnisse/Teilungsanordnungen im ENZ
Rz. 83
Das ENZ kann auch dinglich wirkende Vermächtnisse verlautbaren (Art. 63 Abs. 2a EuErbVO). Bei einem in Deutschland erteilten ENZ tritt dies aber nur in dem – an sich irregulären – Fall ein, dass ein deutsches Nachlassgericht ausländisches Erbrecht anwendet. Bei deutschem Erbstatut gilt nach gegenwärtigem Stand in jedem Fall die allein schuldrechtliche Wirkung des § 2074 BGB. Vorrangig geht es also um die Anwendung ausländischer ENZ (mit ausgewiesenem dinglichem Vermächtnis) im Grundbuchverfahren.
Rz. 84
Bei ausländischem Erbstatut hat der EuGH aber eine Korrektur der deutschen Rechtsauffassung verlangt, wonach (bisher) auch dinglich wirkende Vermächtnisse in lediglich schuldrechtliche Vermächtnisse mit nachfolgendem Erfüllungsakt (der als Auflassung dann sel...