Rz. 31
Probleme bereitet die Anerkennung der transmortalen Vollmacht, die dem Alleinerben erteilt ist. Die herrschende Meinung hält einerseits Anerkennung der transmortalen Vollmacht aus rechtsdogmatischen Gründen für geboten und aus rechtspraktischen Gründen für zweckmäßig, um insbesondere den Zeitraum zwischen Erbfall und Ermittlung des wahren Erben und dessen förmliche Legitimation durch Erbschein zu überbrücken. Damit geht einher, dass die gesetzliche Alternative der Bestellung eines Nachlasspflegers (§§ 1960, 1961 BGB) nachrangig, nämlich nur bei einem Fürsorgebedürfnis, gewährt wird. Im Spannungsverhältnis zu dieser Aussage steht der ebenso anerkannte Obersatz der h.M., wonach niemand sein eigener Vertreter sein könne. Die dem Alleinerben erteilte Vollmacht über den Tod hinaus erlösche also, ggf. unter Heranziehung des Konfusionsgedankens, mit dem Erbfall.
Rz. 32
In diesem argumentativen Konflikt hat das OLG Hamm eine postmortale Vollmacht dann nicht anerkannt, wenn der Bevollmächtigte unter grundbuchförmlicher Offenlegung seiner Stellung als Alleinerbe, aber unter Ausnutzung der Vollmacht handelt; dann handele er nämlich als sein eigener Vertreter. Ebenso hat das OLG München das Handeln des Alleinerben als Bevollmächtigten abgelehnt, allerdings mit der leicht abweichenden Begründung, dass die in derselben Urkunde offengelegte Alleinerbenstellung die Vermutung des Vollmachtsfortbestands widerlege. Der Verfügende sei also nicht als Bevollmächtigter legitimiert, aber auch nicht als Erbe, weil es am erteilten Erbschein fehlte. Demgegenüber hat das KG die Vollmacht auch bei der Behauptung, Alleinerbe zu sein, aufrechtzuerhalten. Die Handlungsmacht bestehe auch in diesem Fall. Allein aus der Erklärung zur Alleinerbenstellung folge noch keine Kenntnis des Grundbuchamtes gem. § 173 BGB.
Rz. 33
Aufrechterhalten wird die Vollmacht, wenn der Bevollmächtigte nicht Allein-, sondern nur Miterbe des Vollmachtgebers ist. Hier blieben die Vermögensmassen von Eigenvermögen des Bevollmächtigten und Nachlass getrennt, so das der Konfusionsgedanke unanwendbar sei.
Rz. 34
Verwendbar bleibt die Vollmacht auch dann, wenn der auftretende Bevollmächtigte nur mutmaßlich Alleinerbe des verstorbenen Vollmachtgebers ist, er aber nicht grundbuchförmlich legitimiert ist. Das Vorhandensein privatschriftlicher Testamente ohne erteilten Erbschein gibt keinen Anlass, an der Wirksamkeit der Vollmacht zu zweifeln. Aus dieser Entscheidung dürfte sich erstens ableiten lassen, dass die transmortale Vollmacht auch dann verwendbar bleibt, wenn die mutmaßliche Erbenstellung auf gesetzlicher Erbfolge beruht, etwa wenn der einzige gesetzliche Erbe zugleich Bevollmächtigter ist. Aus dieser Aussage lässt sich ferner ableiten, dass das GBA nicht befugt ist, durch Zwischenverfügung auf die Klärung der Erbfolge (durch grundbuchförmliche Legitimation, d.h. durch Erteilung eines Erbscheins) hinzuwirken. Es ist damit erst recht nicht befugt, durch Zwischenverfügung auf die Klärung der Erbfolge hinzuwirken, um sich überhaupt erst Anknüpfungstatsachen für eine Zurückweisung der Vollmacht zu verschaffen.
Rz. 35
Diese Aussage trifft auch zu: Es geht bei der Anerkennung der transmortalen Vollmacht nicht nur – nicht einmal in erster Linie, wenngleich die Erben dies vorrangig im Blick haben – um Verfahrenserleichterung, sondern um Vertrauensschutz des Dritten. Der soll und braucht nicht nachzufragen! Wohin die Argumentation des OLG Hamm stattdessen führen kann, zeigt die Ausarbeitung von Bestelmeyer, der das GBA mit Nachforschungspflichten bei Vollmachten geradezu überhäuft. Ihm gegenüber ist daran zu erinnern: Diese Nachforschungspflichten statuieren §§ 170–172 BGB bewusst nicht! Im Gegenteil wird dann wiederum von der Rspr. der Erbscheinsantrag als unrichtige Sachbehandlung (§ 21 GNotKG) angesehen, wenn die Alleinerbin mit einer trans- oder postmortalen Vollmacht ausgestattet ist, welche ihr die Vornahme der Kontoüberweisungen gestattet.
Rz. 36
Die notarielle Praxis zieht aus diesem Konglomerat von Entscheidungen die Folgerung, bei einem Handeln des Bevollmächtigten tunlichst keine Aussage zum Versterben des Vollmachtgebers oder zur Erbfolge zu treffen, um die Verwendbarkeit der transmortalen Vollmacht nicht zu beeinträchtigen. Eine Grundbuchunrichtigkeit kann jedenfalls nicht eintreten, da im Zweifel – also bei Unwirksamkeit der Vollmacht – die Verfügung immer als Eigenverfügung des Alleinerben wirksam wäre.
Rz. 37
Schon dieser Vorschlag zum Zurückhalten relevanter Tatsachen lässt Zweifel an der Richtigkeit der Differenzierung aufkommen. Und es sprechen auch gute Gründe für eine vollumfängliche Anerkennung der transmortalen Vollmacht. Den Konfusionsgedanken etwa weist unsere Rechtsordnung in einem Ausnahmefall selbst zurück, nämlich in § 1698b BGB. Erben des verstorbenen (minderjährigen) Kindes sind ja bei unter 16-Jährigen zwingend, bei 16–18-Jährigen immerhin noch typischerweise gerade die Eltern selbst! Nu...