Rz. 83
Das ENZ kann auch dinglich wirkende Vermächtnisse verlautbaren (Art. 63 Abs. 2a EuErbVO). Bei einem in Deutschland erteilten ENZ tritt dies aber nur in dem – an sich irregulären – Fall ein, dass ein deutsches Nachlassgericht ausländisches Erbrecht anwendet. Bei deutschem Erbstatut gilt nach gegenwärtigem Stand in jedem Fall die allein schuldrechtliche Wirkung des § 2074 BGB. Vorrangig geht es also um die Anwendung ausländischer ENZ (mit ausgewiesenem dinglichem Vermächtnis) im Grundbuchverfahren.
Rz. 84
Bei ausländischem Erbstatut hat der EuGH aber eine Korrektur der deutschen Rechtsauffassung verlangt, wonach (bisher) auch dinglich wirkende Vermächtnisse in lediglich schuldrechtliche Vermächtnisse mit nachfolgendem Erfüllungsakt (der als Auflassung dann selbstständig den Vollzug trüge) umzudeuten wären. Stattdessen müssen nun dinglich wirkende Vermächtnisse unmittelbar durch Grundbuchberichtigung eintragungsfähig sein. In Betracht kommt dabei die Grundbuchberichtigung auf Grundlage einer Berichtigungsbewilligung oder, näher liegend, auf der Grundlage eines Ausweises des Vermächtnisses im ENZ gem. § 22 GBO.
Rz. 85
Die nähere Einpassung dieser europarechtlichen Vorgaben in das deutsche Grundbuchverfahrensrecht ist jedoch noch ungeklärt. Offen ist bspw. die Umsetzung, wenn die vom Vermächtnis vermittelte Eigentumsposition unserer Vorstellung eines absoluten Eigentums nicht vollständig entspricht und erst weitere Realakte hinzukommen müssen. Diese entzögen sich, sollte ein Nachweis im Grundbuchverfahren erforderlich sein, natürlich der Form des § 29 GBO. Einzuhalten sind auch andere Verfahrensvorgehen des dt. Grundbuchverfahrensrechts, insbesondere die richtige Grundstücksbezeichnung nach § 28 GBO.
Rz. 86
Bei Vermächtnissen, die nicht eigentumsbezogen sind, stellt sich zudem die Frage, wer über die ggf. erforderliche Anpassung des dinglichen Rechts entscheidet. Jedenfalls hinsichtlich des Vermächtnisinhalts wird der Vorrang des deutschen Registerrechts und damit der Numerus clausus der dinglichen Rechte von niemandem bestritten. Da ja bei dinglicher Wirkung keine anderen innerdeutschen Stellen zu beteiligen sind, bleibt nur das GBA selbst. Von der Ausstellungsbehörde ist die erforderliche Kenntnis des deutschen Immobiliarsachenrechts nicht zu erwarten.
Rz. 87
Denkbar wäre dabei, eine privatautonome Korrektur oder Vervollständigung/Klarstellung zuzulassen, bei welcher dann Eintragungsgrundlage natürlich nicht mehr das ENZ (gem. § 22 GBO), sondern eine darauf aufbauende Berichtigungsbewilligung (§ 19 GBO) sein müsste. Möglicherweise kann sich die Praxis auch dazu durchringen, die Eintragung des Vermächtnisses auf Grundlage einer gemischten Eintragungsgrundlage zuzulassen, d.h. also die Grundbuchberichtigung nach §§ 22, 29 GBO auf der Grundlage des ENZ durch eine verfügende (Auslegungs-)Bewilligung des Betroffenen zu flankieren. Dieser Vorschlag steht zwar diametral zu allen Grundsätzen des bisherigen Grundbuchverfahrensrechts, wonach eine Bewilligung nur entweder Verfügungs- oder Berichtigungsbewilligung sein kann. Allerdings stellt die europarechtliche Vorgabe des EuGH auch neue Herausforderungen an das Verfahrensrecht, weswegen für die Lösung kommender Probleme keine Denkverbote bestehen sollten. Bezeichnenderweise verlangt zwar das OLG Saarbrücken die ordnungsgemäße Grundstücksbezeichnung nach § 28 GBO, sagt aber nichts dazu, wo sie herkommen soll.
Rz. 88
Faktisch geklärt hat der EuGH jedenfalls die Kollision eines deutschen Fremdrechtserbscheins (ohne ausgewiesenes dingliches Vermächtnis) mit einem Auslands-ENZ mit dinglich wirkendem Vermächtnis, indem er eine Normbeschränkung der deutschen internationalen Zuständigkeitsvorschriften verlangt. Damit besteht eine innerdeutsche Zuständigkeit zur Erteilung eines Fremdrechtserbscheins nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten. Eine Anpassung der Vorschriften zum deutschen Erbschein durch Aufnahme auch von Vermächtnissen erscheint deswegen nicht zwingend.
Das OLG München hat zu einem österreichischen ENZ, welches eine dinglich wirkende Teilungsanordnung verlautbarte, dem GBA ein inhaltliches Prüfungsrecht mit Nichtakzeptanz einer dinglichen Wirkung zugestanden, m.a.W.: Das deutsche GBA kennt österreichisches Recht besser als der österreichische Gerichtskommissionär. Demgegenüber hat Ackermann darauf hingewiesen, dass Österreich sehr wohl Teilungen mit unmittelbar dinglicher Wirkung kennt und diese als Teil der Erbfolge ansieht. Das spricht m.E. dafür, entsprechende Aussagen im ausländischen ENZ Tatbestandswirkung zu lassen. Allenfalls denkbar, wenngleich im internationalen Rechtsverkehr wenig praktisch, wäre die Annahme eines Remonstrationsrechts gegenüber der Ausstellungsbehörde parallel zum Prüfungsrecht beim deutschen Erbschein.
Die Verlautbarung im ENZ kann durch eigenen Vortrag der Begünstigten widerlegt werden.