1. Verhältnis von Erbschein zu öffentlichem Testament als Nachweisdokument
Rz. 107
Den Erbschein als Erbfolgenachweis konstituiert § 35 GBO als abschließend. Einen Erbschein könnte das GBA damit nur wegen derart gravierender inhaltlicher Mängel zurückweisen, die den Erbschein zu einem "Schein-Erbschein" machen. Das kommt praktisch nicht vor, zumal der typische Erbschein ja auch inhaltlich nicht besonders kompliziert ist. Demgegenüber enthält für den Erbnachweis durch öffentliches Testament schon der Normwortlaut eine Zurückweisungsberechtigung bei Unklarheiten. Diese sind selbst bei bester Notarpraxis letztlich unvermeidbar, beruhen sie zwar zum Teil aus Formulierungsunschärfen, zum größten Teil aber aus nicht vorhergesehenen und nicht vorhersehbaren Entwicklungen zwischen Abfassung (Beurkundung) des Testaments und Erbfall. Während der Erbschein ex post die Erbfolge feststellt, antizipiert das Testament diese Erbfolge auf prognostizierter Tatsachengrundlage.
Rz. 108
Der Wortlaut des § 35 GBO scheint dem GBA einen weitgehenden Ermessensspielraum hinsichtlich Akzeptanz oder Zurückweisung öffentlicher Testamente zu geben. Jedenfalls stellt die Formulierung "erachtet das GBA […] für nicht nachgewiesen" auf seine und insoweit dann subjektive Erkenntnis ab. Darüber ist die Rechtsentwicklung indes hinweggegangen. Vom GBA werden sehr weitgehende Anstrengungen bezüglich Auslegung und auch Tatsachenermittlung auf der Grundlage vorgelegter öffentlicher Urkunden erwartet, bevor eine Zurückweisung des öffentlichen Testaments erfolgen darf. Die inhaltliche Prüfung schließt die Pflicht zu einer etwa notwendigen Auslegung ein. Für das Handelsregisterverfahren beschränkt OLG Stuttgart etwa das Erbscheinverlangen auf offene Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht. Die Zurückweisungsentscheidung ist uneingeschränkt beschwerdefähig, auch mit der Begründung, das Beharren auf einem Erbschein erfolge zu Unrecht.
2. Wirksamkeit
Rz. 109
Die Wirksamkeit des Testaments, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der zwingenden Vorgaben des BeurkG (Muss-Vorschriften) hat das GBA selbstständig zu überprüfen.
Die Wirksamkeitsprüfung bezieht sich bei mehreren eröffneten Testamenten auf Fragen des Widerrufs, bei einseitigen, im Gegensatz zu gemeinschaftlichen Testamenten/Erbverträgen auch auf den Vorrang bindender Verfügungen. Aufgrund des mitvorzulegenden Eröffnungsprotokolls kann das GBA aber den Eintritt des Erbfalls zugrunde legen (keine gesonderte Sterbeurkunde erforderlich) sowie von der Vollständigkeit der eröffneten Testamente ausgehen. Die Möglichkeit, dass weitere privatschriftliche Testamente vorhanden sein könnten, hat das GBA unberücksichtigt zu lassen. Der Erbprätendent muss vielmehr diese Testamente beim Nachlassgericht vorlegen und eine Nachtragseröffnung veranlassen.
Etwaige abstrakte Möglichkeiten, die nur unter ganz bestimmten Umständen das aus dem Testament hervorgehende Erbrecht in Frage stellen können, genügen niemals, das Verlangen nach einem Erbschein oder eine eidesstattliche Negativversicherung zu begründen. Das GBA ist auch nicht berechtigt, rein vorsorglich Einsicht in den (beim gleichen Amtsgericht) geführten Nachlassakt zu nehmen, um daraus eventuelle Unwirksamkeitsgründe zu erfahren.
a) Testierfähigkeit
Rz. 110
Fraglich ist der Einwand der fehlenden Testierfähigkeit des Erblassers. Hat der beurkundende Notar mit Zweifelsvermerk beurkundet, weil schon er sich nicht von der vollen Testierfähigkeit überzeugen konnte, kann m.E. das GBA ohne weiteres auf Vorlage des Erbscheins bestehen. Die Geschäftsfähigkeit lässt sich im nachlassgerichtlichen Verfahren einfacher und für die Beteiligten überzeugender klären. Dass beim Vollzug von sachenrechtlichen Verfügungen ggf. auch das GBA mit diesen Fragen konfrontiert wird, spricht nicht dagegen: Dort muss im Grundbuchverfahren eine Entscheidung erfolgen, weil parallele Verfahrensoptionen nicht bestehen.
Rz. 111
Ging der Notar von der vollen Testierfähigkeit aus, so ließ die ältere Rspr. eine auf fehlende Testierfähigkeit gestützte Zurückweisung nur dann zu, wenn ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist, welches die Nichtigkeit des Testaments feststellt oder zumindest ein entsprechendes Gerichtsverfahren nachgewiesen werden kann. Das Verlangen nach einem anderweitig eingeleiteten Gerichtsverfahren ist aber zu eng. Es wäre für den Erbprätendenten auch nicht der nächstliegende Schritt. Viel näher liegt für ihn ja ein Erbscheinsantrag unter Berufung auf ein früheres Testament zu seinen Gunsten bzw. die gesetzliche Erbfolge. Andererseits kann aber nich...