Rz. 9
§ 45 GBO zielt auf grundbuchmäßige Verwirklichung der Grundsätze des § 879 BGB. Demgemäß findet er keine Anwendung, wo entweder überhaupt kein Rangverhältnis in Frage kommt oder wo der Rang gesetzlich bestimmt oder auch ohne Eintragung in das Grundbuch gewahrt ist.
Rz. 10
Ein Rangverhältnis, d.h. ein Verhältnis, kraft dessen von mehreren, ihrem unmittelbaren Inhalt nach vollwirksamen Rechten das eine dem anderen im Kollisionsfalle vorgeht, ist nur unter beschränkten dinglichen Rechten möglich. Die unbeschränkten dinglichen Rechte können unter sich keinen Rang haben, sondern sich nur gegenseitig ganz verdrängen. Sie können auch zu den beschränkten dinglichen Rechten keinen Rang haben, da sie diesen unter Aufopferung eines Teiles ihrer Substanz stets weichen. Zwischen beschränkten dinglichen Rechten kann ein Rangverhältnis nur in Frage kommen, wenn sie ein und dasselbe Grundstücksrecht betreffen, andernfalls berühren sie sich nicht. Ein in allen Wohnungsgrundbüchern eingetragenes beschränktes dingliches Recht am ganzen Grundstück ruht auch auf dem Teilrecht des einzelnen Wohnungseigentümers und steht daher in einem Rangverhältnis zu den Belastungen, die nur auf einem der Wohnungseigentumsrechte ruhen.
Rz. 11
Kein Rangverhältnis besteht zwischen Eintragungen im Bestandsverzeichnis untereinander und zu Eintragungen in den drei Abteilungen, ferner zwischen Eintragungen in Abt. I zueinander und zu den Eintragungen in den anderen Abteilungen. Das Gleiche gilt für Eintragungen, sofern sie die Anteile verschiedener Miteigentümer betreffen.
Rz. 12
Streitig ist, ob auch auf das Eigentum betreffende Verfügungsbeeinträchtigungen zu Grundstücksrechten in einem Rangverhältnis stehen. Das Bestehen eines echten materiellen Rangverhältnisses wird allgemein verneint. Je nach Art der Verfügungsbeeinträchtigung stellt sich materiell-rechtlich aber die Frage der Wirksamkeit eines Rechts gegenüber dem von der Verfügungsbeeinträchtigung Geschützten. Dies schließt eine Anwendung der formellen Vorschriften der §§ 17 und 45 GBO nicht aus, weil die Darstellung des zeitlichen Vorgehens der einen vor der anderen Eintragung im Grundbuch auch für das materielle Recht bedeutungsvoll ist. Wegen §§ 878 oder 892 BGB ist das zeitliche Verhältnis zwischen Verfügungsbeschränkung und Grundpfandrechten von großer Bedeutung. Die entsprechende Anwendung von § 45 GBO ist deshalb insoweit geboten, als die Wirksamkeit eines eingetragenen Rechts gegenüber der Verfügungsbeschränkung zu verlautbaren ist. Verfahrensrechtlich wird dies gerne als "Vorrang" bezeichnet, was in diesem Falle eben nicht "Befriedigungsreihenfolge" wie beim Verhältnis dinglicher Rechte zueinander, sondern "Wirksamkeitsreihenfolge" bedeutet. Dies kann auch durch einen sog. Wirksamkeitsvermerk klargestellt werden (dazu § 1 Einl. Rdn 85). Allerdings dürfen nicht Rangvermerk und Wirksamkeitsvermerk nebeneinander eingetragen werden, das Grundbuchamt muss sich für eine Form der Kenntlichmachung der Wirksamkeit einer Eintragung entscheiden.
Rz. 13
Auch zwischen Widersprüchen und Grundstücksrechten besteht zwar kein materielles Rangverhältnis, jedoch erscheint auch hier wegen § 892 Abs. 1 S. 1 BGB die Anwendung der vorstehenden Grundsätze geboten.