Rz. 9
Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise ist im Beschwerdeverfahren grundsätzlich uneingeschränkt zulässig; insoweit handelt es sich bei dem Beschwerdeverfahren um eine vollwertige weitere Tatsacheninstanz. Nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die übrigen Beteiligten haben das Recht zu einem neuen Vortrag. Insoweit sieht § 74 GBO keine Präklusion hinsichtlich der Umstände vor, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. In Eintragungsverfahren sind im Rahmen der Beschwerdeentscheidung aber nur solche neuen Tatsachen zu berücksichtigen, die in der nach § 29 Abs. 1 GBO vorgeschriebenen Form nachgewiesen werden, bzw., wenn die Tatsache der freien Beweiswürdigung unterliegt, eine andere tatsächliche Würdigung durch das Beschwerdegericht rechtfertigen. Weiterhin besteht eine Ausnahme bei einer beschränkten Beschwerde nach § 71 Abs. 2 GBO mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs. Insoweit darf das Beschwerdegericht die Frage der Verletzung des Gesetzes nicht auf nachträglich entstandene Tatsachen stützen. Vielmehr sind, wenn das Grundbuchamt seiner Aufklärungspflicht nachgekommen ist, der Beschwerdeentscheidung nur die dem Grundbuchamt bekannten Tatsachen zugrunde zu legen.
Rz. 10
Neue Tatsachen sind auch die von dem Antragsteller beizubringenden Unterlagen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Tatsachen vor oder nach der erstinstanzlichen Entscheidung entstanden sind. Die Zulässigkeit neuen Vorbringens kann dazu führen, dass eine ursprünglich richtige Entscheidung aufgehoben werden muss, weil sie der durch das neue Vorbringen geänderten Sachlage nicht mehr entspricht oder weil das dem zu Recht zurückgewiesenen Eintragungsantrag entgegenstehende Hindernis nachträglich behoben worden ist. Ebenso kann aufgrund neuer Tatsachen und Beweise der Erlass einer neuen Zwischenverfügung geboten sein. Zur Erhebung der Zuständigkeitsrüge im Beschwerdeverfahren siehe § 77 GBO Rdn 4. Werden neue Tatsachen und Beweise schon in der Beschwerdeschrift vorgebracht, so müssen diese bereits im Rahmen der Abhilfeentscheidung (§ 75 GBO) berücksichtigt werden. Zeitlich können die neuen Tatsachen und Beweise bis zum Erlass (§ 38 Abs. 3 S. 3 FamFG) der Beschwerdeentscheidung (vgl. § 77 GBO Rdn 49) geltend gemacht werden.
Rz. 11
Die Nichtberücksichtigung neuen Vorbringens durch das Grundbuchamt im Abhilfeverfahren bzw. das Beschwerdegericht ist ein schwerer Verfahrensmangel, der das rechtliche Gehör verletzt. Dies kann im Fall einer statthaften Rechtsbeschwerde (§ 78 GBO) oder im Wege der Anhörungsrüge (§ 81 Abs. 3 GBO i.V.m. § 44 FamFG) gerügt werden. Im Falle einer Zurückverweisung eines Verfahrens an das GBO ist das Beschwerdegericht im Rahmen einer erneuten Beschwerde an die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Zurückverweisungsbeschlusses gebunden. In diesem Umfang können mit der erneuten Beschwerde keine neuen Tatsachen und Beweise geltend gemacht werden.