Rz. 50
Nach Abs. 3 GBO i.V.m. §§ 74 Abs. 3 S. 4 FamFG, 559 Abs. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Gerichts der Rechtsbeschwerde nur dasjenige Parteivorbringen, das aus der Beschwerdeentscheidung oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Ist die Sachverhaltsschilderung unklar und unbestimmt, dann darf das Rechtsbeschwerdegericht nicht von sich aus versuchen, die tatsächlichen Unklarheiten anhand der Gerichtsakten aufzuklären. Das Gericht der Rechtsbeschwerde ist nach § 559 Abs. 2 ZPO an die darin festgestellten Tatsachen gebunden. Die Nachprüfung ihrer Richtigkeit ist im dritten Rechtszug ausgeschlossen. Neue Tatsachen und Beweise, die sich auf die Sache beziehen, z.B. nachgebrachte behördliche Genehmigungen, dürfen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen setzt voraus, dass diese in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise zustande gekommen sind. Die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ist nur dahin zu prüfen, ob das Beschwerdegericht das Gesetz verletzt hat. Das ist der Fall, wenn es nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, gegen die Denkgesetze oder allgemein anerkannte Erfahrungssätze verstoßen und im Amtsverfahren den maßgebenden Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat.
Rz. 51
Zu der tatsächlichen Würdigung des Streitstoffs gehört auch die Auslegung von Urkunden und Willenserklärungen, so z.B. einer Vollmacht oder eines Testaments. Zu der individuellen Auslegung gehört auch die Berücksichtigung der außerhalb der Urkunde liegenden Umstände. Deren Feststellung und Würdigung ist dem Tatrichter vorbehalten. Das Gericht der Rechtsbeschwerde kann nur nachprüfen, ob außer den bereits genannten Rechtsfehlern der Tatrichter die gesetzlichen Auslegungsregeln, insbesondere den Sinn und Wortlaut der Erklärung, beachtet oder ob er gar die Auslegung ganz unterlassen hat. Leidet die Auslegung an derartigen Rechtsfehlern, so ist sie für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend; dieses hat sie dann selbst vorzunehmen.
Rz. 52
Ermessensentscheidungen des Tatrichters unterliegen im Rechtsbeschwerdeverfahren nur einer eingeschränkten Nachprüfung dahingehend, ob das Gericht von seinem Ermessen keinen oder einen rechtsfehlerhaften, dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat oder von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat. Mit der Rechtsbeschwerde kann auch gerügt werden, dass das Beschwerdegericht sein Ermessen bei der Bestätigung der Zurückweisung eines Eintragungsantrages anstelle des Erlasses einer Zwischenverfügung (vgl. dazu § 18 GBO Rdn 23 ff.) fehlerhaft ausgeübt hat. Im Ermessen des Grundbuchamts steht es auch, ob über mehrere Grundstücke nach § 4 GBO ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt wird oder wie es in den Fällen der §§ 3 Abs. 3, 7 Abs. 2, 82, 82a und 84 GBO entscheidet.
Rz. 53
Von diesen Grundsätzen besteht nach § 74 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 559 Abs. 2, 551 Abs. 3 Nr. 2b ZPO für solche Tatsachen, die ergeben, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt ist, eine Ausnahme. Insoweit sind neue Tatsachen im Rechtsbeschwerdeverfahren beachtlich, und das Gericht der Rechtsbeschwerde ist in der Würdigung des neuen und des bereits vom Beschwerdegericht gewürdigten Tatsachenstoffs frei. Zu den Verfahrensfragen gehören z.B. die Zulässigkeit der Erstbeschwerde, die Wahrung der Form und Frist, die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers sowie alle verfahrensrechtlich erheblichen Erklärungen der Beteiligten. Diese unterliegen der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Das Gericht der Rechtsbeschwerde hat deshalb die Frage, ob ein Eintragungsantrag gestellt ist, ohne Bindung an die Auffassung des Tatrichters zu prüfen.
Rz. 54
Der selbstständigen Würdigung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nicht nur prozessuale, sondern auch behördliche Willenserklärungen, die zur Kenntnis von jedermann bestimmt sind, so Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder von Gerichten wie z.B. Zuschlags- oder Pfändungsbeschlüsse, Umfang und Wirkungskreis von Pflegerbestellungen oder von Grundbucheintragungen und in Bezug genommenen Urkunden, wie z.B. Teilungserklärungen, Gemeinschaftsordnungen etc. Da die Eintragungsbewilligung nach richtiger Ansicht eine rein verfahrensrechtliche Erklärung ist, hat auch sie das Rechtsbeschwerdegericht selbstständig auszulegen, ohne an die Auslegung der Tatsacheninstanzen gebunden zu sein.
Rz. 55
Neue Tatsachen dürfen ausnahmsweise ferner dann Berücksichtigung finden, wenn sie die Sachlage derartig verändern, dass der Antrag infolge Beseitigung seiner wesentlichen Grundlagen zwecklos wird und für eine Entscheidung über ihn kein Raum bleibt oder wenn sie die weitere Beschwerde in der Hauptsache erledigen. Eine weitere Ausnahme gilt aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit bei offensichtlichen, wie etwa ur...