I. Allgemeines
Rz. 21
Abs. 3 bestimmt die entsprechende Anwendung des § 44 FamFG über die Fortführung des Beschwerde- bzw. Rechtsbeschwerdeverfahrens bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Auf die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte (z.B. Verletzung des Willkürverbots; Verstoß gegen den gesetzlichen Richter) findet die Vorschrift keine Anwendung. Insoweit besteht nur die Möglichkeit der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde. Nach § 44 FamFG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Endentscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren in derselben Instanz (iudex a quo) fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel, Rechtsbehelf oder andere Abänderungsmöglichkeiten gegen die Entscheidung nicht gegeben ist/sind und ferner das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Rz. 22
Das Verfahren dient der Selbstkorrektur durch die Fachgerichte, um eine Verfassungsbeschwerde zu vermeiden. Die Anhörungsrüge ist auf die Endentscheidung beschränkt; auf ein der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt (§ 44 Abs. 1 S. 2 FamFG). Bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift gilt dieser Ausschluss nur für nicht anfechtbare Zwischenentscheidungen, die inzidenter im Rahmen der Endentscheidung überprüft werden können (z.B. bei einem Beweisbeschluss). Wird dagegen durch das Zwischenverfahren endgültig mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren und die künftige Endentscheidung befunden, dann muss nach dem Grundsatz des wirkungsvollen Rechtsschutzes über den Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 2 FamFG die Anhörungsrüge eröffnet sein. Dies gilt auch bei fehlender Zulassung der Rechtsbeschwerde bzw. bei Beschlüssen des Rechtsbeschwerdegerichts bei der Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe, bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch.
II. Frist und Form
Rz. 23
Die Anhörungsrüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beteiligten von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Eine Verlängerung oder Abkürzung der Frist ist nicht möglich. Für den Lauf der Frist ist weder eine förmliche Zustellung an den Beteiligten noch eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (vgl. § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG0. Bei einer fehlenden Einhaltung der Rügefrist kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 17 Abs. 1 FamFG). Der Zeitpunkt der Kenntnis ist durch den Rügeführern glaubhaft zu machen, wobei als Mittel der Glaubhaftmachung auch die Versicherung an Eides statt (§ 31 FamFG) in Betracht kommt. Die Form des § 29 GBO muss nicht gewahrt werden. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe (§ 41 FamFG) der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.
Rz. 24
Die Rüge ist schriftlich, als elektronisches Dokument oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird (§ 44 Abs. 2 S. 3 FamFG). Eine Verpflichtung zur Erhebung der Anhörungsrüge als elektronisches Dokument besteht auch für die in § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG aufgeführten Personen (Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts etc.) seit dem 1.1.2022 nicht, da § 14b FamFG mangels eines ausdrücklichen Verweises auf diese Vorschrift in § 81 Abs. 3 GBO keine Anwendung findet. Beim BGH kann die Rüge nur schriftlich oder als elektronisches Dokument durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Rz. 25
Die Anhörungsrüge muss stets – bereits innerhalb der Frist für die Einlegung der Rüge – die angegriffene Entscheidung bezeichnen und aufzeigen, dass eine andere Anfechtungsmöglichkeit ausscheidet. Zudem muss sich aus der Rügeschrift das Vorliegen der in § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamFG genannten Voraussetzungen ergeben (§ 44 Abs. 2 S. 4 FamFG). Erforderlich ist eine Darlegung der Verletzung des Anspruchs des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise durch das Gericht). Diese Darlegung ist weniger als eine Glaubhaftmachung, darf aber auch nicht nur pauschale Ausführungen einer angeblichen Gehörsverletzung enthalten. Aufgezeigt werden müssen vielmehr Tatsachen, aus den sich die behauptete Gehörsverletzung ergibt. Zudem muss der unterbliebene Sachvortrag nachgeholt werden, der bei der Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre. Schließlich muss der Rügeführer aufzeigen, dass bei Berücksi...