Gesetzestext
Das Grundbuchamt kann aus besonderem Anlaß, insbesondere bei Umschreibung unübersichtlicher Grundbücher, Unklarheiten und Unübersichtlichkeiten in den Rangverhältnissen von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten beseitigen.
A. Normzweck; Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschriften über die Löschung gegenstandsloser Eintragungen (§§ 84 bis 89 GBO) werden durch die §§ 90 bis 115 GBO ergänzt. In diesen Bestimmungen wird ein Verfahren zur Klarstellung der Rangverhältnisse der einzelnen in Abt. II und Abt. III eingetragenen Grundstücksrechte geregelt. Es dient dazu, die Grundbücher zu bereinigen und übersichtlicher zu machen. Es sollen Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über die materielle Rechtslage beseitigt und verwickelte Rangverhältnisse vereinfacht werden. Das Verfahren zielt damit auf eine Klärung oder Änderung der materiellen Rechtslage ab und geht damit weit über den üblichen Aufgabenkreis des Grundbuchamts hinaus. Die Tätigkeit ist vergleichbar mit dem notariellen Vermittlungsverfahren zur Auseinandersetzung des Nachlasses (§§ 363 ff. FamFG). Es soll einen gerechten und billigen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen herbeiführen. Das liegt nicht nur im Interesse des besseren und sichereren Grundbuchverkehrs, sondern erleichtert etwaige Zwangsversteigerungsverfahren, z.B. bei der Aufstellung von Teilungsplänen.
Rz. 2
Das Bedürfnis für ein Rangklarstellungsverfahren ergab sich in der Inflationszeit nach dem ersten Weltkrieg. Die Aufwertung der Grundpfandrechte und die durch den Vollzug des AufwG vom 16.7.1925 entstandenen Veränderungen der Rangverhältnisse führte zu einer teilweisen Funktionslosigkeit des Grundbuchverkehrs. Das GrdBBerG vom 18.7.1930 hatte sich in § 24 GBO darauf beschränkt, gewisse Rahmenrichtlinien aufzustellen, innerhalb deren sich die landesrechtliche Regelung bewegen sollten. Daraufhin ist die Preuß. VO über das Verfahren zur Klarstellung der Rangverhältnisse im Grundbuch vom 16.3.1931 ergangen. Eine Reihe anderer Länder haben gleichartige Vorschriften erlassen. Diese Bestimmungen, die sich bewährt hatten, sind durch die GBÄndVO mit Wirkung vom 1.4.1936 in die GBO übernommen worden. In der Praxis hat das in der GBO geregelte Rangklarstellungsverfahren kaum Bedeutung. Neben dem Rangklarstellungsverfahren können unübersichtliche Rangverhältnisse u.U. bereits durch eine Umschreibung des Grundbuchblattes (§§ 28 ff. GBV) beseitigt werden.
B. Voraussetzungen des Verfahrens
Rz. 3
Eine Einleitung des Verfahrens zur Klarstellung bzw. Neuordnung der Rangverhältnisse, das auch als Rangbereinigungsverfahren bezeichnet wird, hat zwei Voraussetzungen:
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Zunächst müssen Unklarheiten oder Unübersichtlichkeiten in den Rangverhältnissen vorliegen. Gemeint sind materielle Unklarheiten, d.h. Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten über die materielle Rechtslage. Dies kann der Fall sein, wenn die materielle Rechtslage nur mit Schwierigkeiten erkennbar ist oder Zweifel über sie bestehen. Rangverhältnisse sind unübersichtlich, wenn diese entweder formell grundbuchmäßig unübersichtlich oder formell klar, aber materiell besonders verwickelt sind, z.B. im Falle der Häufung relativer Rangverhältnisse durch Rangänderungen, Bestandszuschreibungen oder Vereinigungen unterschiedlich belasteter Grundstücke. |
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Weitere formelle Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens ist weiterhin ein besonderer Anlass. Das Gesetz erwähnt als Hauptfall die Umschreibung eines Grundbuchblatts wegen Unübersichtlichkeit. In diesem Falle soll nach § 91 Abs. 1 GBO das Grundbuchamt stets prüfen, ob eine Klarstellung geboten ist. Daneben kommen noch andere Anlässe in Betracht, z.B. das Bevorstehen einer Zwangsversteigerung, die Anfrage eines Beteiligten hinsichtlich der bestehenden Rangverhältnisse oder die Umschreibung der Grundbücher auf den einheitlichen Vordruck der GBV. |
C. Verfahren
Rz. 4
Über die Einleitung und Durchführung des Rangklarstellungsverfahrens entscheidet das Grundbuchamt nach "freiem Ermessen" (vgl. §§ 91 Abs. 1 S. 2, 109 GBO). Der in § 90 GBO erwähnte Antrag eines Beteiligte ist – wie beim Löschungsverfahren gem. §§ 84 ff. – lediglich als Anregung zu verstehen. Auf jeden Fall bedarf es auch bei einem Antrag eines Beteiligten des besonderen Anlasses. Dieser ist gegeben, wenn der Beteiligte geltend macht, bereits aus den Rangverhältnissen seien Schwierigkeiten entstanden oder unmittelbar zu befürchten. Ein Antrag eines Beteiligten, der erkennbar darauf zielt, das Grundbuch hinsichtlich der Rangverhältnisse unübersichtlicher bzw. rechtlich komplizierter zu machen (etwa zur Erschwerung eines Zwangsversteigerungsver...