Gesetzestext
(1) Das Grundbuchamt kann von Amts wegen Ermittlungen darüber anstellen, ob das Eigentum oder ein eingetragenes Recht dem als Berechtigten Eingetragenen oder einem anderen zusteht, und die hierzu geeigneten Beweise erheben. Inwieweit § 35 anzuwenden ist, entscheidet das Grundbuchamt nach freiem Ermessen.
(2) Der ermittelte Berechtigte gilt vom Zeitpunkt seiner Feststellung an auch als Beteiligter.
(3) Bestehen Zweifel darüber, wer von mehreren Personen der Berechtigte ist, so gelten sämtliche Personen als Berechtigte.
A. Normzweck; Allgemeines
Rz. 1
Wie §§ 93, 95 und 99 GBO dient auch § 94 GBO der Hinzuziehung des wahren Berechtigten zum Rangklarstellungsverfahren. Diese Vorschrift räumt dem Grundbuchamt die Befugnis ein, nach der Person des wahren Berechtigten Ermittlungen anzustellen. An sich ist Abs. 1 S. 1 überflüssig, da die Amtsermittlungspflicht und damit auch Amtsermittlungsberechtigung bereits aus § 26 FamFG folgt. Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 sollten die Arbeit des Grundbuchamts erleichtern, indem sie die Amtsermittlung begrenzen. Insbesondere ist das Grundbuchamt aufgrund der Fiktion in Abs. 3 bei Zweifeln nicht verpflichtet, die materielle Berechtigung mehrerer potentieller Berechtigter endgültig zu klären. Insoweit nehmen die potentiellen Berechtigten als formelle Beteiligte am Verfahren teil.
B. Ermittlung des Berechtigten (Abs. 1 S. 1)
Rz. 2
Das Grundbuch kann von Amts wegen Ermittlungen zur Feststellung des wahren Berechtigten anstellen und hierzu die geeigneten Beweise erheben. Es handelt sich um ein Amtsverfahren, für das die Grundsätze des § 26 FamFG gelten. Das Grundbuchamt hat nicht nur das Recht zu Ermittlungen, sondern dann sogar die Pflicht hierzu, wenn es Kenntnis vom Wegfall des eingetragenen Berechtigten erhält oder sonst begründete Anhaltspunkte dafür hat, dass der eingetragene Berechtigte nicht mehr der wahre Berechtigte ist. Jedoch kommt es hierbei auch darauf an, ob die Ermittlungen eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und das Verfahren nicht ungebührlich verzögern. Die Entscheidung, ob Anlass zur Ermittlung des Berechtigten Anlass besteht, liegt gem. Abs. 1 S. 1 ("kann") im pflichtgemäßen Ermessen des Grundbuchamts, welches bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen muss, dass das Gesetz offenbar die Zuziehung des wahren Berechtigten erstrebt. In die Ermessensentscheidung darf auch das Verhältnis des Ermittlungsaufwandes zu dem voraussichtlichen Ermittlungserfolg einfließen. Für die Ermittlung des Grundbuchamts gilt der Freibeweis; § 29 GBO findet keine Anwendung.
C. Ermittlungen im Fall des Todes des Berechtigten (Abs. 1 S. 2)
Rz. 3
Im Fall des Todes des eingetragenen Berechtigten ist das Grundbuchamt hinsichtlich des Nachweises der Erbfolge, des Bestehens einer fortgesetzten Gütergemeinschaft und der Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Verfügung über den Nachlassgegenstand nicht an die Vorschrift des § 35 GBO gebunden. Es ist berechtigt, von der Beibringung eines Erbscheins, eines öffentlichen Testaments, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 BGB) oder eines Zeugnisses über die Fortsetzung der Gütergemeinschaft (§ 1507 BGB) abzusehen. Hierüber entscheidet das Grundbuchamt nach freiem Ermessen. Das Grundbuchamt kann sich mit anderen Beweismitteln begnügen; insoweit gilt der Freibeweis. Zudem ist das Grundbuchamt nicht an die Form des § 29 GBO gebunden.
D. Wirkungen der Ermittlungen (Abs. 2)
Rz. 4
Der ermittelte Berechtigte gilt vom Zeitpunkt seiner Feststellung an, also ex nunc, als Beteiligter (Abs. 2) und ist deshalb zu dem weiteren Verfahren als solcher hinzuzuziehen. Neben ihm bleibt aber auch der eingetragene Berechtigte Beteiligter, es sei denn, dass nach § 95 Abs. 1 GBO ein Beteiligtenwechsel vorliegt oder der eingetragene Berechtigte nach § 93 GBO in glaubhafter Weise seine Berechtigung geleugnet hat.
E. Zweifel über die Berechtigung mehrerer Personen (Abs. 3)
Rz. 5
Zweifel über die Berechtigung mehrerer Personen hat nicht das Grundbuchamt zu entscheiden. Es hat vielmehr dann alle in Frage Kommenden als Beteiligte anzusehen (Abs. 3). Erforderlich ist jedoch, dass die Zweifel nicht durch einfache Ermittlungen behoben werden können. Zu zeitaufwändigen und kostenträchtigen Ermittlungen ist das Grundbuchamt indes nicht verpflichtet.