Leitsatz (amtlich)
Übt der Mieter sein Vorkaufsrecht nach § 577 BGB aus, so geht der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien grundsätzlich dahin, die Wohnung in ihren tatsächlichen Grenzen zu verkaufen und aufzulassen. Da der Inhalt der Auflassung vom übereinstimmenden Willen und nicht vom Grundbuchstand bestimmt wird, steht es dem Eigentumserwerb des Vorkaufsberechtigte nicht entgegen, wenn der Aufteilungsplan (§ 7 Abs. 4 WEG) die tatsächlichen Grenzen nicht zutreffend wiedergibt, weil er einen Raum der Wohnung als Bestandteil der Nachbarwohnung ausweist. In diesem Fall kann ein Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB gegeben sein.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.01.2010; Aktenzeichen 84 O 7/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des LG Berlin vom 19.1.2010 -84 O 7/10 - abgeändert:
Es wird im Wege der einstweiligen Verfügung angeordnet, dass zur Sicherung des Anspruchs der Antragstellerin auf Zustimmung der Antragsgegnerin zur Grundbuchberichtigung in Bezug auf das nachstehende Wohnungseigentum (Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum), Wohnung Nr. ..., Grundbuch von M., Blatt 1... bestehend aus 5,37/100 Miteigentumsanteil an dem Grundstück T., Gebäude- und Freifläche W., ... B., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 8, belegen im
II. Obergeschoss Mitte, ein Widerspruch im Grundbuch eingetragen wird, soweit die Antragsgegnerin darin als Eigentümerin des Zimmers ausgewiesen ist, welches im Aufteilungsplan als Anlage zur Eintragungsbewilligung als Teil des Sondereigentums Nr. 8 bezeichnet wird, und welches nach dem Aufteilungsplan an das Sondereigentum Nr. 9 angrenzt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 6.000 EUR zu tragen.
Gründe
A. Auf Grund der beigebrachten Glaubhaftmachungsmittel (Urkunden und eidesstattliche Versicherungen der Antragstellerin vom 11.01. und 25.1.2010) geht der Senat von folgendem Sachverhalt aus:
Auf Grund Mietvertrags vom 30.6.1989 war Dr. H.H. Mieter der im 2. OG rechts des Hauses W., ... Berlin, gelegenen 3-Zimmer-Wohnung mit 66,83 qm; die Antragstellerin war seit diesem Zeitpunkt seine Untermieterin. W. B. erwarb das Haus und errichtete nach § 8 WEG Wohnungseigentum. Nach dem Aufteilungsplan zur Eintragungsbewilligung wurden die Räume der bezeichneten Mietwohnung als Sondereigentum Nr. 9 bezeichnet, jedoch mit Ausnahme des dritten, an die Nachbarwohnung angrenzenden Zimmers. Dieses war im Aufteilungsplan als Zimmer der Eigentumswohnung Nr. 8 bezeichnet. Im Wohnungsgrundbuch von M. des AG ..., Blatt 1..., wird wegen des Gegenstands und Inhalts des Sondereigentums an der Wohnung Nr. ... auf die Eintragungsbewilligung vom 24.11.1989/9.3.1990 Bezug genommen.
Mit notariellem Vertrag vom 31.3.2006 verkaufte W. B. diverse Wohnungen des Hauses, darunter die Wohnungen Nr. 8 und 9, an die Antragsgegnerin. Nachdem Hr. Dr. H. mit Erklärung vom 15.8.2006 sein gesetzliches Vorkaufsrecht als Mieter (§ 577 BGB) ausgeübt hatte, schlossen B. und Dr. H. mit notarieller Urkunde vom 19.4.2007 (Urk.-Nr. 507/2007 des Notars R.) einen Kaufvertrag über einen 5,76/100stel Anteil am Grundstück, "verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 bezeichneten Wohnung" zum Preis von 41.855,64 EUR. In § 1 Abs. 1 wird Dr. H. als "Mieter dieser Wohnung" bezeichnet, nach § 2 Abs. 6 ist "der Kaufgegenstand.. an den Käufer vermietet." Der Verkäufer erklärte die Auflassung in Bezug auf den "in § 2 näher bezeichneten Kaufgegenstand" (§ 10 Abs. 1) und bewilligte und beantragte die Eintragung einer Eigentumsverschaffungsvormerkung für den Käufer (§ 10 Abs. 2). Zugleich bewilligte und beantragte die Antragsgegnerin, die von Dr. H. zunächst vollmachtlos vertreten wurde, in § 10 Abs. 3 die Löschung "der zu ihren Gunsten eingetragenen Eigentumsverschaffungsvormerkung an dem Kaufgegenstand".
Mit notariellem Vertrag vom 17.12.2007 (Urk.-Nr. 1723/2007 des Notars R.) hat Hr. Dr. H. seinen Miteigentumsanteil von 5,76/100stel, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 9 bezeichneten Wohnung, zum Preis von 41.855,64 EUR an die Antragstellerin verkauft.
Die Antragsgegnerin ist auf Grund Auflassung vom 31.3.2006 am 25.9.2007 im Grundbuch von M. Bl. 1..., als Eigentümerin der Wohnung Nr. 8 eingetragen worden.
Die Eintragung im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer der Wohnung Nr. 9 erfolgte für Dr. H. am 6.2.2008 und für die Antragsgegnerin sodann am 14.7.2008.
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung die Sicherung eines Anspruchs auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Sie ist der Ansicht, dass nach den Grundsätzen der unschädlichen Falschbezeichnung des Kaufobjekts (falsa demonstratio) das fragliche dritte Zimmer, welches gemäß Aufteilungsplan zur Wohnung Nr. 8 gehört, jedoch faktisch Bestandteil der von der Antragsstellerin seit Jahrzehnten genutzten Wohnung ist, in ihrem Eigentum und nicht in dem der Antragsgegn...