Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung des Hausrechts in einer Wohngemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Alle Mitbewohner einer Wohngemeinschaft oder eines Wohnheims üben das Hausrecht gleichrangig aus, weshalb jeder Mitbewohner im Regelfall alleine darüber entscheiden kann, wem er den Zutritt zu den Gemeinschaftsräumen gestattet.
2. Als Grenze der individuellen Ausübung des Hausrechts ist zu beachten, ob der Aufenthalt des Dritten den Mitbewohnern zumutbar ist.
3. Die Prüfung der Gemeinschaftsräume einer Seniorenwohngemeinschaft durch die Aufsichtsbehörde entspricht dem sozialgesetzlichen Leitbild und liegt regelmäßig im objektiven Interesse der Bewohner. Der Aufsichtsbehörde den Zutritt zu versagen, ist dann als willkürliche Beschränkung des Hausrechts der Mitbewohner treu- und rechtswidrig.
Normenkette
OWiG § 79 Abs. 3 S. 1; StPO § 349 Abs. 2
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts T. vom 8. Oktober 2015 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Das Amtsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Betroffene den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 31 Abs. 2 Nr 2 WTG Bln objektiv und rechtswidrig verwirklicht hat. Als Geschäftsführerin eines als GmbH gestalteten Pflegedienstes (Leistungserbringer i. S. d. § 3 WTG Bln) durfte sie der Heimaufsichtsbehörde nämlich nicht den Zutritt zu der betreuten Wohngemeinschaft "Villa S." untersagen und damit die gesetzlich vorgesehene und durch eine Anzeige veranlasste Prüfung vereiteln. Von den elf dort lebenden pflegebedürftigen Menschen hatte nur eine Bewohnerin den Zutritt nicht bewilligt, acht hatten über ihre Betreuer ausdrücklich zugestimmt. Bei dieser Sachlage durfte die Behördenmitarbeiterin die Gemeinschaftsräume betreten und auftragsgemäß prüfen.
Alle Mitbewohner einer Wohngemeinschaft oder eines Wohnheims üben das Hausrecht gleichrangig aus (vgl. RGSt 1, 121), weshalb jeder Mitbewohner im Regelfall allein darüber entscheiden kann, wem er den Zutritt zu den Gemeinschaftsräumen gestattet; eine Zustimmung aller ist nicht erforderlich (vgl. Heinrich, JR 1997, 95 mwN; Fischer, StGB 63. Aufl., § 123 Rn. 4). Den anderen Berechtigten steht in diesem Fall grundsätzlich kein Widerspruchsrecht zu. Allerdings ist als Grenze zu beachten, ob der Aufenthalt des Dritten zumutbar ist (Heinrich, aaO. mwN; Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl., § 123 Rn. 18). Die Prüfung der Seniorenwohngemeinschaft durch die Aufsichtsbehörde entspricht nicht nur dem sozialgesetzlichen Leitbild (§ 17 WTG Bln), sie liegt darüber hinaus im objektiven Interesse der Heimbewohner; sie dient ihrem Schutz. Die Aufsichtsbehörde einzulassen, war somit auch für jene Mitbewohnerin, welche die Zustimmung versagt hatte, zumutbar; ihre Verweigerung stellte sich als willkürliche Beschränkung der Freiheitsrechte ihrer Mitbewohner dar (vgl. Fischer, aaO., § 123 Rn. 4) und war offensichtlich treu- und rechtswidrig.
2. Die Urteilsfeststellungen tragen auch die Würdigung des Bußgeldrichters, dass die Betroffene die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich begangen hat. Dass sie, wie die Rechtsbeschwerde vorträgt, bei "ihrem Berufsverband" Rechtsrat eingeholt hat, ist urteilsfremd. Rechtsfehlerfrei ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Betroffene weder einem Tatbestands- (§ 11 Abs. 1 OWiG) noch einem Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG) unterlegen ist. Aus dem Umstand, dass sie keinerlei Versuche der Vermittlung unternommen hat (UA S. 4) und die Frage des Hausrechts, wie im Urteil darlegt, auch nicht im Ansatz durchdacht hatte (ebd.), hat der Bußgeldrichter nachvollziehbar geschlossen, dass es ihr unter Missachtung der Interessen der Bewohner um die Vereitelung der Kontrolle durch die Heimaufsicht ging (UA S. 9).
3. Die Festsetzung der ausgesprochen maßvollen Geldbuße ist frei von Rechtsfehlern.
Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Fundstellen