Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Drittauskunft eines Postdienstleisters im Rahmen des § 19 Abs. 2 MarkenG. § 19 Abs. 2 MarkenG ist keine taugliche Befugnisnorm im Sinne des § 39 Abs. 3 Satz 3 PostG.
Normenkette
MarkenG § 19 Abs. 2; PostG § 39; Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 29.12.2022; Aktenzeichen 93 O 125/22) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 93 des Landgerichts Berlin vom 29. Dezember 2022 - 93 O 125/22 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin stellt PKW her, die mit einem Navigationsgerät ausgestattet sind. Das digitale Kartenmaterial und die Updates werden von ihr teilweise noch in Form von SD-Karten vertrieben. Sie ist Inhaberin unter anderem zweier Unionsmarken, die für Navigationsgeräte und entsprechende Software geschützt sind.
Die Antragstellerin trägt vor, ihr sei im Rahmen eines im Internet getätigten Testkaufes eine gefälschte SD-Karte ausgeliefert worden. Die gefälschte SD-Karte sei von der Antragsgegnerin, einem Postdienstleistungen anbietenden Unternehmen, befördert worden. Die Antragstellerin verlangt unter Berufung auf § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung Auskunft über Name und Anschrift des Einlieferers der Warensendung.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 922 Abs. 1 Satz 1, 936, 569 ZPO.
Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg, denn es fehlt an einem Verfügungsanspruch. Die Antragstellerin kann unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt die begehrte Auskunft von der Antragsgegnerin verlangen. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 Nr. 3 MarkenG, der nach § 119 Nr. 2 MarkenG in Verbindung mit Art. 130 Abs. 2 UMV auch bei Unionsmarken zur Anwendung kommt.
Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 Nr. 3 MarkenG besteht in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung der in § 19 Abs. 1 MarkenG normierte Auskunftsanspruch auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt. Die durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 in das MarkenG eingefügte Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG setzt die in Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG (nachfolgend auch: "Durchsetzungsrichtlinie") geregelte Auskunftspflicht für den Bereich der Markenverletzungen um.
Es kann dahinstehen, ob die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 Nr. 3 MarkenG vorliegend gegeben sind, was insbesondere hinsichtlich des Vorliegens einer offensichtlichen Rechtsverletzung fraglich erscheint. Denn jedenfalls scheidet eine Auskunftsverpflichtung aus, da sich die Antragsgegnerin im Prozess gegen den Verletzer auf ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen könnte und ihr eine Auskunftserteilung sogar untersagt ist.
Nach der eben genannten Vorschrift sind Personen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Eine solche Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Geheimhaltung aufgrund Gesetzes ergibt sich vorliegend aus § 39 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 PostG. Danach darf derjenige, der geschäftsmäßig Postdienste erbringt oder daran mitwirkt, Kenntnisse über Tatsachen, die dem Postgeheimnis unterliegen, nur an andere weitergeben, soweit das PostG oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Postsendungen oder Postverkehr bezieht.
§ 39 PostG enthält die einfachgesetzliche Ausprägung des Postgeheimnisses. Da die Anbieter von Postdiensten als Private nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind, bewirkt die Vorschrift einen dem Art. 10 GG entsprechenden Schutz auf einfachgesetzlicher Ebene (BR-Drs. 147/97, S. 45).
Die Antragsgegnerin erbringt geschäftsmäßig Postdienste, §§ 39 Abs. 2 Satz 1; 4 Nr. 4 PostG. Bei der von der Antragstellerin gewünschten Auskunft handelt es sich um nähere Umstände des Postverkehrs, die dem Postgeheimnis unterliegen (§ 39 Abs. 1 PostG). Davon ist der gesamte Kommunikationsvorgang erfasst, insbesondere auch de...