Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Überprüfung vom erkennenden Gericht während laufender Hauptverhandlung getroffener Arrestentscheidungen steht dem Beschwerdegericht - wie bei Haftentscheidungen - nur ein erheblich eingeschränkter Prüfungsumfang zu.

2. Zur Berücksichtigung von Wertsteigerungen eines mit Taterlösen erworbenen Grundstücks bei der Bestimmung des (Wertersatz-) Verfallsbetrages.

3. Die Konstellation des Verschiebungsfalls, der die Inanspruchnahme des Drittbegünstigten auf Verfall oder Wertersatzverfall ermöglicht, lässt zwar das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Übergangs von der Straftat in das Vermögen des Begünstigten entfallen, ändert aber nichts daran, dass das aus der Straftat Erlangte zunächst auf der Stufe des Täters zu bestimmen und sodann erst zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang es auf den Dritten übertragen worden ist.

 

Normenkette

StGB §§ 73, 73a; StPO § 111d

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 30.12.2015; Aktenzeichen (536 KLs) 245 Js 306/13 (5/14))

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30. Dezember 2015 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Verfallsbeteiligten Fu B.V. insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.

 

Gründe

I.

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren wendet sich die Staatsanwaltschaft Berlin gegen die Teilaufhebung eines gegen die Verfallsbeteiligte angeordneten dinglichen Arrestes durch das Landgericht Berlin.

1. Das Amtsgericht Tiergarten hat im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft Berlin zum damaligen Zeitpunkt gegen die hiesigen Angeklagten E Ku und R Ar wegen des Verdachts der Geldwäsche geführten Ermittlungsverfahrens mit Beschluss vom 4. März 2013 - (348 Gs) 241 Js 863/12 (754/13) - zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Wertersatzverfall den dinglichen Arrest gemäß §§ 111b Abs. 2, 111d, 111e Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1 und Abs. 3, 73a, 261 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 4b 3. Alt. StGB in Höhe von 2.650.000,- Euro in das Gesellschaftsvermögen der Fu B.V. angeordnet. Diese Entscheidung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 7. Juli 2014 - (348 Gs) 245 Js 306/13 (2247/14) - dahin abgeändert, dass das Bezugsverfahren bei gleichem Lebenssachverhalt nicht mehr wegen des Verdachts der Geldwäsche, sondern wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 und 5 AO geführt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Berlin.

Am 23. Juli 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage gegen A Ku, E Ku und R Ar. Sie legt den Angeklagten Ar und E Ku jeweils elf und dem Angeklagten A Ku neun (besonders schwere) Fälle der Steuerhinterziehung - davon in einem Fall (Fall 1) eine versuchte Tat - zur Last. Die Angeklagten Ar und E Ku sollen - mit Ausnahme der Fälle 2 und 3 im Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten A Ku - unter Vorlage von Scheinrechnungen für angebliche Gold an- und -verkäufe unberechtigte Vorsteuerbeträge geltend gemacht haben, wodurch ein Gesamtsteuerschaden in Höhe von 17.558.928,93 Euro entstanden und die Erlangung weiterer nicht gerechtfertigter Steuervorteile von 589.790,56 Euro beabsichtigt worden sein soll. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug.

Das Landgericht Berlin - 36. große Strafkammer - hat die Anklage durch Beschluss vom 12. September 2014 mit näher bezeichneten Maßgaben unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung zugelassen, die Verfallsbeteiligung (u.a.) der Fu B.V. gemäß § 431 Abs. 1 und Abs. 3 (i.V.m. § 442 Abs. 1, Abs. 2) StPO angeordnet und den dinglichen Arrest in deren Gesellschaftsvermögen unverändert fortbestehen lassen. Die Hauptverhandlung hat seit dem 9. Januar 2015 an bislang (bis einschließlich 29. Februar 2016) 77 Sitzungstagen stattgefunden.

2. Mit Schriftsatz vom 20. November 2015 beantragte die Fu B.V. (im Folgenden auch: Verfallsbeteiligte) die Aufhebung des dinglichen Arrestes. Sie macht geltend, die Voraussetzungen für seine Anordnung hätten bereits bei Erlass des Beschlusses vom 4. März 2013 nicht vorgelegen. Erst recht seien keine - nach § 111b Abs. 3 StPO nunmehr erforderlichen - dringenden Gründe für die Annahme gegeben, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz vorlägen. Die behaupteten Ermittlungsergebnisse seien im Rahmen der bisherigen Beweisaufnahme widerlegt worden. Jedenfalls aber dürfe die durch den Anstieg der Immobilienpreise in B. eingetretene Wertsteigerung bezüglich der Immobilie S.straße xx nicht in die Arrestsumme eingerechnet werden. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Antragsschrift verwiesen.

3. Das Landgericht Berlin hat auf den dargelegten Antrag der Verfallsbeteiligten den mit Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. März 2013 in der Fassung des Beschlusses vom 7. Juli 2014 angeordneten dinglichen Arrest in das Gesellschaftsvermögen in Höhe vo...

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