Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Ermäßigung der Urteilsgebühr; Erinnerungsbefugnis der Staatskasse vor Bekanntgabe des Kostenansatzes an Kostenschuldner
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vertreter der Staatskasse ist befugt, Erinnerung gegen einen Kostenansatz bereits vor dessen Bekanntgabe an den Kostenschuldner einzulegen.
2. Eine Ermäßigung der Urteilsgebühr nach KV Nr. 1227 tritt nicht ein, wenn das Berufungsgericht im Urteil von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe abgesehen und gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. lediglich ausgeführt hat, dass es den Gründen der angefochtenen Entscheidung folge.
Normenkette
GKG § 5 Abs. 1; GKG KV Nr. 1227; GKG § 11 Abs. 1; ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 12 U 148/01) |
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 453/00) |
Tenor
Der Kostenansatz wird aufgehoben, soweit eine Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1227, Gebührensatz 1,5 (ermäßigt nach Einigungsvertrag um 10 %) nach dem Wert: bis 3.000 DM i.H.v. 175,50 DM angesetzt worden ist.
Die Kostenbeamtin wird angewiesen, eine Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1226, Gebührensatz 3,0 (ermäßigt nach dem Einigungsvertrag um 10 %) nach dem Wert: bis 3.000 DM, also i.H.v. 351 DM, umgerechnet 179,46 Euro, anzusetzen.
Gründe
1. Gegenstand der Erinnerung ist die Kostenrechnung der Kostenbeamtin des KG vom 31.1.2003, soweit darin gegen den Kläger und Berufungskläger als Entscheidungsschuldner eine ermäßigte Urteilsgebühr nach KV-Nr. 1227 (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG), Gebührensatz 1,5 nach dem Streitwert des Berufungsverfahrens von 2.591 DM (mit Ermäßigung auf 90 % nach dem Einigungsvertrag), i.H.v. 175,50 DM angesetzt worden ist. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Bezirksrevisors ist gem. § 5 Abs. 1 GKG zulässig. Ihrer Zulässigkeit steht insb. nicht entgegen, dass die Kostenrechnung bisher dem Kostenschuldner nicht übersandt und er noch nicht zur Zahlung der Kosten aufgefordert worden ist. Denn die Kostenrechnung stellt bereits einen anfechtbaren Kostenansatz i.S.d. §§ 4, 5 Abs. 1 GKG dar.
Bei einem Kostenansatz handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt auf Inanspruchnahme als Kostenschuldner für Gerichtskosten (BVerfG NJW 1970, 853 [854]). Er besteht in der Aufstellung der Kostenrechnung zugunsten der Staatskasse und muss die Kostenansätze im Einzelnen, die angewendeten Vorschriften, den Gesamtbetrag der Kosten sowie Name und Anschrift des Kostenschuldners enthalten (§§ 4 Abs. 1 GKG; 4 Abs. 1 KostVfg). Darüber hinaus muss er mit der für die Anfechtbarkeit jeder gerichtlichen Verfügung erforderlichen Außenwirkung versehen sein. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass dem Kostenschuldner die Kostenrechnung übersandt und er zur Zahlung der Kosten aufgefordert worden ist.
Eine nur zur gerichtsinternen Prüfung aufgestellte Kostenrechnung (vgl. KG, Beschl. v. 21.1.1997 – 1 W 3564/96, unveröff.) oder die bloße Ankündigung eines Kostenansatzes (vgl. OLG Karlsruhe Die Justiz 1980, 419) sind nicht anfechtbar. Nach st. Rspr. des Senats und wohl herrschender Auffassung ist aus diesem Grunde auch der in einer (Erstschuldner-)Kostenrechnung vermerkte Zweitschuldner, dem eine Kostenrechnung noch nicht übersandt worden ist, nicht zur Erinnerung befugt (vgl. zu Vorstehendem OLG Schleswig JurBüro 1981, 403; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1065; KG, Beschl. v. 2.4.1998 – 1 AR 17/98; v. 12.11.1998 – 1 W 3456/98, unveröff.). Der abw. Auffassung des OLG München (JurBüro 1990, 357), nach der ein gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner gegen die einem anderen Gesamtschuldner übersandte Gerichtskostenrechnung vorgehen kann, ist nicht zu folgen, zumal sie auch auf der unzutreffenden Annahme beruht, dass die Festsetzung verauslagter Gerichtskosten im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO nicht überprüft werden kann (vgl. dazu KG v. 27.5.1997 – 1 W 8000/96, KGReport Berlin 1997, 151 = MDR 1997, 889; v. 18.12.2001 – 1 W 445/01, KGReport Berlin 2002, 92 = MDR 2002, 722 m.w.N.). Demnach ist die Anfechtbarkeit regelmäßig erst gegeben, wenn die Absendung der Kostenrechnung an den Kostenschuldner verfügt worden ist (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: April 2001, § 5 Rz. 1; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 5 Rz. 4) oder sie ihm formlos bekannt gegeben worden ist (vgl. Korintenberg/Lappe, KostO, 15. Aufl., § 14 Rz. 39).
Weitergehend ist allerdings hinsichtlich des Antrags auf Nichterhebung von Gerichtskosten gem. § 8 Abs. 1 GKG anerkannt, dass eine gerichtliche Entscheidung bereits vor der Aufstellung des Kostenansatzes eingeholt werden kann und gegen eine richterliche Entscheidung, durch die ein solcher Antrag zurückgewiesen worden ist, die Beschwerde nach § 5 Abs. 2 S. 1 GKG gegeben ist, sofern für den Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist (vgl. KG JurBüro 1977, 1587; Beschl. v. 27.8.2002 – 1 W 9909/00, unveröff.; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 45; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 8 Rz. 15; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Stand: April 2001, § 8 Rz. 31).
Vorliegend ist die Anfechtbarkeit des bis dahin dem Kostenschuldner nicht bek...