Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß Art. 158 Ziffer 5 des schweizerischen ZGB gerichtlich genehmigte Vereinbarungen der Ehegatten über die Nebenfolgen der Scheidung stellen einen vollstreckungsfähigen Titel im Sinne des Art. 31 LugÜ 1988 dar.

2. Zur Abgrenzung zwischen gebotener Konkretisierung eines ausländischen Titels und unzulässiger Überprüfung der ausländischen Entscheidung (Révision au fond) im Rahmen der Vollstreckbarerklärung durch das Exequaturgericht.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 27.05.2016; Aktenzeichen 15 F 275/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG Pankow/Weißensee - Familiengericht - vom 27.5.2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 16.488 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller erstrebt die Vollstreckbarerklärung des Urteils des Bezirksgerichts H.(Schweiz) vom 21.2.2006 - FE -------/U/B--/Spy -, soweit der Antragsgegner dort im Rahmen eines Scheidungsverfahrens zur Zahlung von Kindesunterhalt an dessen frühere Ehefrau, die Mutter des Antragstellers, für den damals noch minderjährigen Antragsteller verpflichtet worden sei. Er nimmt dazu Bezug auf Ziffer 3 des genannten Scheidungsurteils, in dem das Gericht eine zwischen den früheren Eheleuten am 21.2.2006 getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung genehmigt hat, unter deren Ziffer 4 der Antragsgegner sich u.a. verpflichtet hat, an die Mutter des Antragstellers Unterhalt für diesen in Höhe von monatlich 1.500 SFR zuzüglich allfälliger gesetzlicher und vertraglicher Kinderzulagen "ab Rechtskraft der Scheidung bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Ausbildung" über die Mündigkeit des damals minderjährigen Antragstellers hinaus zu zahlen, solange der Antragsteller in deren Haushalt lebt und keine eigenen Ansprüche stellt. Der Antragsgegner hat die monatlichen Unterhaltszahlungen für den Antragsteller zum 1.7.2012 eingestellt, nachdem dieser als 22-Jähriger im Juni 2012 die Berufsmaturitätsschule und seine Lehre als Multimediaelektroniker abgeschlossen hatte.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Antragsgegner auch über den Abschluss seiner Ausbildung als Multimedialelektroniker hinaus bis zum Abschluss seines Studiums als Bachelor of Informatik an der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 1.500 SFR an ihn verpflichtet sei. Es bestehe ein enger fachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen seiner Ausbildung zum Multimedialelektroniker und seines sich daran anschließenden Hochschulstudiums. Die praktische Ausbildung und das Studium gehörten derselben Berufssparte an und hingen derart zusammen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeute bzw. die Vorausbildung eine sinnvolle Vorbereitung für sein Studium darstelle. Seine Ausbildung sei daher nicht abgeschlossen im Sinne des für vollstreckbar zu erklärenden Unterhaltstitels.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt, das Urteil des Bezirksgerichts H., Geschäftsnummer: FE ----/U/B--/Spy vom 21.2.2006, rechtskräftig seit dem 25.4.2006, mit folgendem Inhalt für vollstreckbar zu erklären:

1. Der Antragsgegner ist verpflichtet, an ihn rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 63.000 SFR nebst 5 % Zinsen p. a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Antragsgegner ist verpflichtet, an ihn weiteren Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 1.500 SFR ab Januar 2016 zu bezahlen.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, ausweislich Ziffer 3 des eingereichten Urteilstenors habe das Bezirksgericht H.die zwischen den früheren Eheleuten getroffene Scheidungsfolgenvereinbarung, einschließlich dortiger Nummer 4, nur genehmigt. Ein vollstreckungsfähiger Inhalt in Form einer Zahlungsanordnung sei dem Urteil des Bezirksgerichts nicht zu entnehmen, so dass eine Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage von § 31 des im Hinblick auf den Zeitpunkt der Titelerstellung anwendbaren Lugano Übereinkommens von 1988 in Verbindung mit § 36 AUG nicht in Betracht komme.

Der Antragsteller hat gegen den seinen Verfahrensbevollmächtigten am 6.6.2016 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 9.6.2016, beim AG Pankow/Weißensee eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das AG sei rechtsirrig davon ausgegangen, dass Ziffer 3.4. des Urteilstenors des schweizerischen Bezirksgerichts keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweise. Die dort gewählte Formulierung, dass der vereinbarte Kindesunterhalt von 1.500 SFR "bis zum ordentlichen Abschluss einer angemessenen Ausbildung" zu zahlen sei, gehe an Eindeutigkeit über die üblicherweise von deutschen Gerichten in solchen Fällen titulierte Unterhaltsverpflichtung, die über die Erreichung der Volljährigkeit hinaus Bestand haben solle, hinaus. Zum Beleg beruft er sich auf eine schriftliche Erklärung des amtierenden Vizepräsidenten des Bezirksgerichts H.vom 6.11.2015, in der dieser bestätigt, dass hiesiger Antragsgegner gemäß Ziffe...

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