Entscheidungsstichwort (Thema)
kein Individualanspruch auf Entziehung des Wohnungseigentums. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
Die Wohnungseigentümer haben einen weiten Beurteilungsspielraum darüber, ob sie einen Miteigentümer durch Prozeß zur Veräußerung seines Wohnungseigentums zwingen wollen. Die Ablehnung seitens der Eigentümergemeinschaft ist deshalb gerichtlich nur dahin überprüfbar, ob die Verweigerung außerhalb dieses Beurteilungsspielraums liegt und damit Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.
Normenkette
WEG § 18 Abs. 3, § 51
Beteiligte
II. die übrigen Miteigentümer, wie sie aus dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts Berlin vom 27. April 1995 – 85 T 354/94 – ersichtlich sind |
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 70 II 378/92) |
LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 354/94) |
Tenor
Die sofortigen weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten dritter Instanz haben der Antragsteller zu I. 1. (Lüdecke) 1/10 zu tragen, im übrigen fallen sie dem Verwaltungsvermögen der Eigentümergemeinschaft zur Last. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 50.000,– DM festgesetzt.
Gründe
Nachdem die Eigentümerversammlung am 25. März 1993 mehrheitlich abgelehnt hatte, gegen den Eigentümer der Wohnung Nr. 19 den Ausschluß aus der Eigentümergemeinschaft zu betreiben, hat der Antragsteller zu I. 1. die gerichtliche Ersetzung eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses gemäß § 18 Abs. 3 WEG verlangt. Diesen Verpflichtungsantrag haben die Vorinstanzen ebenso zurückgewiesen wie auch einen Verpflichtungsantrag des Antragstellers zu I. 2., wohingegen sie Eigentümerbeschlüsse vom 23. September 1992 für ungültig erachtet haben. Die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden bleiben erfolglos.
Die sofortigen weiteren Beschwerden sind gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG im wesentlichen zulässig. Die Antragsteller zu I. 1. und 2. haben ihre Rechtsbeschwerden form- und fristgerecht zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts erhoben, die Beteiligten zu II. durch Anwaltsschriftsatz. Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG erforderliche Rechtsmittelbeschwer ist jeweils erreicht. Die Rechtsmittel sind jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.
A. Rechtsbeschwerde des Antragstellers zu I. 1.
Die Erstbeschwerde des Antragstellers zu I. 1. war als unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig (BGHZ 95, 118 = NJW 1985, 2717). Rechtlich einwandfrei ist, daß das Landgericht angenommen hat, die Eigentümergemeinschaft sei nicht verpflichtet, einer Entziehungsklage gegen den Miteigentümer der Wohnung Nr. 19 zuzustimmen, und daß abgelehnt worden ist, den an sich erforderlichen qualifizierten Mehrheitsbeschluß nach § 18 Abs. 3 WEG durch gerichtliche Entscheidung zu ersetzen.
Die Verpflichtung, das Wohnungseigentum zu veräußern, gehört zu den schwersten aller möglichen Eingriffe in das Eigentum. Der Eigentümer verliert das wesentliche Eigentumsrecht, nämlich eine Sache innezuhaben, und kann nur noch im Wege der Veräußerung darüber verfügen. Eine derartige Verpflichtung gegen den Willen des Eigentümers ist nur bei Vorliegen enger Voraussetzungen zulässig (vgl. BVerfG NJW 1994, 241). Neben den inhaltlichen Voraussetzungen in Gestalt grober Pflichtverletzungen, deren Vorliegen im Zivilprozeß gemäß § 51 WEG zu prüfen ist, hat das Gesetz formelle Hindernisse aufgebaut. Es verlangt in § 18 Abs. 3 WEG als Prozeßvoraussetzung einen Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer, der zudem einer besonderen Stimmrechtsregelung unterliegt, nämlich einer Mehrheit von mehr als der Hälfte der stimmberechtigten Wohnungseigentümer bedarf. Nach den verfahrensfehlerfreien und auch vom Antragsteller zu I. 1. nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist ein derartiger qualifizierter Mehrheitsbeschluß in der Eigentümerversammlung am 25. März 1993 nicht zustande gekommen. Dabei ist es unerheblich, daß der Verwalter die Abstimmungsergebnisse nach Miteigentumsanteilen protokolliert hat, denn die absolute Mehrheit nach der Kopfzahl wird offensichtlich nicht erreicht.
Ohne Rechtsfehler führt das Landgericht aus, daß den Wohnungseigentümern bei der Abstimmung nach § 18 Abs. 3 WEG ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Erhebung der Ausschlußklage zusteht, der erst dann überschritten ist, wenn die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verletzt sind. Damit verkennt das Landgericht nicht, daß es nicht generell ausgeschlossen ist, daß das Wohnungseigentumsgericht die fehlende Mehrheitsentscheidung der Eigentümergemeinschaft ersetzt, daß dies aber eine treuwidrige Ablehnung des Entziehungsverlangens und damit einen Ermessensmißbrauch voraussetzt. Das Landgericht hat sich mit den vom Antragsteller zu I. 1. gegen den Inhaber der Wohnung Nr. 19 erhobenen Vorwürfen auch strafrechtlicher Art einschließlich der rechtskräftigen Verurteilungen auseinandergesetzt und trotz des von dem Antragsteller zu I. 1. geltend gemachten Sachverhalts einen Anspruch auf Durchführung des Ausschlußprozesses ve...