Leitsatz (amtlich)
In Aktivprozessen einer Anwaltssozietät, die Honorarklagen betreffen, fällt eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO für den vertretenden Anwalt nicht an (im Anschluss an BGH v. 5.1.2004 - II ZB 22/02, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 600, unter Aufgabe der fr. Rspr. des Senats). Hinsichtlich einer Widerklage gelten die Regeln für den Passivprozess.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.07.2002; Aktenzeichen 36 O 546/00) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Beschluss des KG vom 9.4.2002 von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf nur 2.697,45 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2002 festgesetzt.
Der weiter gehende Kostenfestsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde nach einem Wert von 1.101,71 EUR zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu 7 %, die Beklagte zu 93 % zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 1.181,47 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Wirtschaftsprüfer-, Steuerberater- und Rechtsanwaltssozietät betreiben, haben die Beklagte auf Zahlung von Gebühren für steuerberatende Tätigkeiten in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt und zusätzlich mit einer Widerklage die Kläger sowie die aus den Klägern bestehende L.H. und Kollegen GbR gesamtschuldnerisch auf Zahlung in Anspruch genommen. Nach Rücknahme der Berufung und der Widerklage hat das KG die Kosten des Berufungsrechtszuges der Beklagen auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.7.2002 ist dem Antrag der Kläger auf Festsetzung u.a. einer Erhöhungsgebühr gem. § 6 Abs. 2 S. 2 BRAGO i.H.v. 2.310,75 DM stattgegeben worden. Hiergegen richtet sich die per Fax am 29.7.2002 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig, insb. fristgerecht eingelegt. Das Rechtsmittel hat aber nur zu einem kleinen Teil Erfolg. Die auf die Berufung selbst (Streitwert: 8.661,72 DM) entfallende Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO ist zwar nicht erstattungsfähig, wohl aber die für die Widerklage (Streitwert: 26.008,46 DM) angefallene Erhöhungsgebühr.
Nach dem Beschluss des BGH vom 5.1.2004 (BGH v. 5.1.2004 - II ZB 22/02, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 600) fällt für Aktivprozesse einer Anwaltssozietät, die Honorarklagen betreffen, eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO für den vertretenden Rechtsanwalt nicht an. Eine Anwaltssozietät könne ohne Weiteres dafür Vorsorge treffen, dass eine so häufig vorkommende Aufgabe wie die Einziehung der Honorarforderung durch ein Sozietätsmitglied allein erledigt werde und dadurch die Prozessführungskosten im Interesse des vertretenen Mandanten möglichst gering gehalten würden. Die Anwendbarkeit von § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO scheide in einem solchen Fall jedenfalls dann aus, wenn die Sozietät neben Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern auch aus Rechtsanwälten bestehe. Nicht entscheidend sei, ob eine solche Sozietät Honoraransprüche für rechtsanwaltliche oder für steuerberatende Tätigkeiten geltend mache. Auch in den letzten genannten Fällen bestehe für eine Sozietät die Verpflichtung, den für den Mandanten kostengünstigsten Weg zu beschreiten.
Dieser Auffassung schließt sich das Gericht im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung an unter Aufgabe seiner in der Verfügung vom 31.1.2003 vertretenen Meinung, die auf der früheren Rechtsprechung des Senats (KG v. 12.1.1999 - 1 W 576/97, KGReport Berlin 1999, 191 = MDR 1999, 1023 = Rpfleger 1999, 2191) basierte.
Die Erwägungen des BGH lassen sich jedoch nicht auf die erhobene Widerklage übertragen. Diese Widerklage hat die Beklagte ausdrücklich gegen die Kläger persönlich gerichtet, um auch von den einzelnen Gesellschaften der L.H. und Kollegen Schadensersatz aufgrund fehlerhafter steuerlicher Beratung geltend zu machen. Die Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft schließt nämlich nicht aus, dass im Passivprozess die Gesellschafter persönlich verklagt werden können, was insb. dann geschieht, wenn der Kläger nicht nur auf das Gesellschaftsvermögen, sondern auch auf das persönliche Vermögen der einzelnen Gesellschafter zugreifen möchte. Im Hinblick auf die hierdurch begründete erhöhte Haftung fällt der Mehrvertretungszuschlag nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO an und kann auch im Erstattungswege durchgesetzt werden.
Dementsprechend berechnen sich die zu erstattenden Anwaltskosten wie folgt:
13/10-Prozessgebühr gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO 1.540,50 DM
Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1, S. 2 Halbs. 2 BRAGO (Gegenstandswert 26.008,46 DM) 2.154,75 DM
13/10-Verhandlungsgebühr gem. §§ 31 Abs. 1 Nr. 4, 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO 1.540,50 DM
Postgebühren gem. § 26 BRAGO (Pauschale) 40 DM
insgesamt 5.275,75 DM
2.697,45 EUR.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ...