Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Befangenheit wegen der Ablehnung eines - aus einem erheblichen Grund gestellten - Antrags auf Terminsverlegung; augenfällige Ungleichbehandlung
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 03.12.2003; Aktenzeichen 4 O 275/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Berlin v. 3.12.2003 - 4 O 275/03 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Wert der Hauptsache.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Das LG hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden, weil dies den Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit berührt. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Nur im Ausnahmefall sind Verfahrensweise und Rechtsauffassung eines Richters dann Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters ggü. einer Partei beruht.
In der Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung liegt dann ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, wenn die Gründe für den Verlegungsantrag erheblich sind und mit der Verweigerung eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt (OLG Köln v. 8.11.2002 - 11 W 73/02, MDR 2003, 170; v. 29.1.1999 - 8 W 1/99, OLGReport Köln 1999, 163 = NJW-RR 2000, 591 [592]; OLG Zweibrücken v. 15.10.1998 - 3 W 225/98, MDR 1999, 113 = OLGReport Zweibrücken 1999, 93; OLG Schleswig v. 2.9.1993 - 16 W 193/93, NJW 1994, 1227).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Der Antrag auf Terminsverlegung erfolgte allerdings aus einem erheblichen Grund, nämlich aus der Arbeitsunfähigkeit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die dem abgelehnten Richter auch vor Beginn der mündlichen Verhandlung bekannt geworden war. Dies folgt aus seinem handschriftlichen Vermerk v. 29.9.2003, in dem er mitteilt, er habe das Büro des Prozessbevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen, dass es bei dem Termin bleibe. Der erhebliche Grund entfällt - wie das LG meint - auch nicht deshalb, weil sich der Prozessbevollmächtigte durch einen anderen Rechtsanwalt hätte vertreten lassen können. Auch unter Berücksichtigung der angespannten Terminslage des LG, die dem Senat durchaus bekannt ist, kann es einer Partei unter Berücksichtigung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht zugemutet werden, dass der Termin von einem nicht in die Sache eingearbeiteten Vertreter wahrgenommen wird (OLG Schleswig v. 2.9.1993 - 16 W 193/93, NJW 1994, 1227).
Es fehlt jedoch an einer greifbaren Ungleichbehandlung der Beklagten durch den abgelehnten Richter. Soweit sie behauptet, dieser sei in Parallelverfahren Verlegungsanträgen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin großzügig nachgekommen, hat sie dies nicht glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 S. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die Wertfestsetzung aus § 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1319488 |
OLGR-Ost 2005, 291 |