Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer "Diskriminierung" im Sinne von § 4 LADG (hier: Nicht veranlasste Fragen nach der Herkunft) und der sachlichen Zuständigkeit für Entschädigungsklagen nach § 8 LADG.
Normenkette
LADG §§ 4, 8
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 28.06.2022; Aktenzeichen 26 O 46/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2022 - 26 O 46/22 - dahin abgeändert, dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die von ihm mit seiner Antragsschrift vom 30. Dezember 2021 beabsichtigte Rechtsverfolgung unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten bewilligt wird.
Gründe
Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gemäß den §§ 127 Abs. 1 S. 2, 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts vom 28. Juni 2022 ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts bietet die von dem Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung auch hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten aus den §§ 114, 121 ZPO vorliegen, nachdem der Antragsteller auch seine Bedürftigkeit im Sinne des § 115 ZPO hinreichend dargelegt hat. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts lässt keine hinreichende Auseinandersetzung mit den für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch einschlägigen Normen des LADG sowie dem vorgetragenen Sachverhalt erkennen und verkennt im Übrigen bei der rechtlichen Würdigung den im Prozesskostenhilfeverfahren für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung anzulegenden Maßstab.
I. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ist § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 LADG. Danach ist bei einem Verstoß gegen die §§ 2 oder 6 LADG die öffentliche Stelle, in deren Verantwortungsbereich die Diskriminierung stattgefunden hat, verpflichtet, der diskriminierten Person den hierdurch entstehenden Schaden zu ersetzen, wobei wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, die diskriminierte Person eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann. Voraussetzung für den Anspruch ist daher ein Verstoß gegen § 2 oder 6 LADG, wobei vorliegend § 6 LADG, der sich gegen die Benachteiligung wegen der Geltendmachung von Rechten aus dem LADG wendet, von vornherein nicht in Betracht kommt.
Nach § 2 LADG darf kein Mensch im Rahmen öffentlich-rechtlichen Handelns auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, einer rassistischen und antisemitischen Zuschreibung, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, einer chronischen Erkrankung, des Lebensalters, der Sprache, der sexuellen und geschlechtlichen Identität sowie des sozialen Status diskriminiert werden. Ob ein Verstoß gegen § 2 LADG vorliegt, bestimmt sich nach den § 4 f. LADG.
Nach § 4 Abs. 1 S. 1 LADG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines oder mehrerer der in § 2 LADG genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde und die Ungleichbehandlung nicht nach § 5 LADG gerechtfertigt ist. Nach § 5 Abs. 1 LADG ist eine Ungleichbehandlung insbesondere gerechtfertigt, wenn sie auf Grund eines hinreichenden sachlichen Grundes erfolgt.
Die "unmittelbare Diskriminierung" nach § 4 Abs. 1 LADG, der Sache nach ein allgemeiner Tatbestand der Diskriminierungshandlung, wird in § 4 Abs. 2 und 3 LADG durch die Tatbeständen der "mittelbaren Diskriminierung" und der "Belästigung" ergänzt. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines oder mehrerer der in § 2 LADG genannten Gründe gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Eine Belästigung ist eine Diskriminierung, wenn ein unerwünschtes Verhalten, das mit einem oder mehreren der in § 2 LADG genannten Gründe in Zusammenhang steht, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird, insbesondere wenn es ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld schafft.
Werden Tatsachen glaubhaft gemacht, die das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 2 LADG überwiegend wahrscheinlich machen, obliegt es gemäß § 7 LADG der öffentlichen Stelle, den Verstoß zu widerlegen.
II. Nach diesen Vorgaben kommt der geltend gemachte Anspruch auf angemessene Entschädigung aus § 8 Abs. 2 LADG wegen einer Diskriminierung im vorstehend aufgezeigten Sinne hier nach dem im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 114 ZPO heranzuziehenden Maßstab der hinreiche...