Leitsatz (amtlich)
1. Die Werbung für das Herunterladen von Handy-Klingeltönen über Mehrwertdienst-Rufnummern in Jugendzeitschriften ist unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 2 UWG, wenn sie keine klare, eindeutige und für den angesprochenen Minderjährigen verständliche Aufklärung über die aus dem Kauf resultierenden Kosten enthält und er die ihm tatsächlich entstehenden Kosten daher nicht abschätzen kann.
2. Eine unlautere Werbung liegt deshalb vor, wenn die Angabe des Minutenpreises für das Herunterladen kaum lesbar ist und die durchschnittliche tatsächliche Dauer des Ladevorgangs nicht bzw. unzutreffend kurz angegeben wird.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 15 O 439/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.3.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des LG Berlin - 15 O 439/03 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird für den Rechtsstreit erster Instanz - insoweit in Abänderung der Wertfestsetzung des LG - und für das Berufungsverfahren jeweils auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 S. 1 und S. 3 ZPO aus den weiterhin zutreffenden Gründen der Verfügung des Senats vom 10.6.2005 zurückzuweisen. Der Senat hat darin ausgeführt:
I. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.
1. Das LG hat die streitgegenständliche Werbeanzeige der Beklagten in der Zeitschrift BRAVO Nr. 21 vom 14.5.2003 mit Recht als Werbung unter Ausnutzung der Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen und daher als sittenwidrig i.S.v. § 1 UWG a.F. angesehen. Nach dem am 8.7.2004 in Kraft getretenen neuen UWG unterfällt die streitgegenständliche Werbung dem in § 4 Nr. 2 UWG normierten Beispielstatbestand. Danach handelt unlauter i.S.v. § 3 UWG insb., wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit insb. von Kindern und Jugendlichen, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen.
a) Wie bereits unter Geltung des früheren UWG mit Recht allgemein anerkannt war und nunmehr in dem gesetzlichen Beispielstatbestand des § 4 Nr. 2 UWG niedergelegt worden ist, ist eine Werbung, durch die die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausgenutzt wird, um diese zum Erwerb von Produkten zu verführen, unlauter i.S.v. § 1 UWG a.F. bzw. § 3 UWG n.F. Denn Kinder und Jugendliche sind typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage, Waren- oder Dienstleistungsangebote kritisch zu beurteilen. Sie entscheiden sich zumeist gefühlsmäßig und folgen einem spontanen Begehren (vgl. zur a.F.: Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 Rz. 198; zur n.F.: Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 1 Rz. 2.17, m.w.N.).
Allerdings ist nicht jede Werbung unzulässig, die sich gezielt (etwa in Kinder- und Jugendzeitschriften) an Kinder und Jugendliche wendet. Vielmehr muss ihre Eignung zur Ausnutzung der Unerfahrenheit dieser Verbrauchergruppe hinzukommen. Davon ist insb. dann auszugehen, wenn die Werbung keine klare, eindeutige und für den angesprochenen Minderjährigen auch verständliche Aufklärung über die aus dem Kauf resultierenden Kosten enthält und er die ihm tatsächlich entstehenden Kosten daher nicht abschätzen kann. Dies ist etwa der Fall bei der Werbung für das Herunterladen von Klingeltönen, Logos u.ä. auf Mobiltelefone über Mehrwertdienste-Rufnummern, in der lediglich der Preis pro Minute, nicht aber der von der Dauer des Ladevorgangs und der Geschicklichkeit des Handynutzers abhängige, regelmäßig wesentlich höhere voraussichtliche Endpreis angegeben wird (vgl. zu Vorstehendem: OLG Hamburg v. 10.4.2003 - 5 U 97/02, CR 2003, 747 = MMR 2003, 467; OLG Hamm ZUM-RD 2004, 589; LG Mannheim v. 19.3.2004 - 7 O 47/04, MMR 2004, 493; Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 2. 17; Harte/Henning/Stuckel, UWG, § 4 Rz. 14).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Werbung als unlauter i.S.v. § 1 UWG a.F. bzw. §§ 3, 4 Nr. 2 UWG n.F. zu beurteilen. Die ganzseitige Werbeanzeige ist in einer typischen Jugendzeitschrift veröffentlicht und wendet sich auch inhaltlich gezielt an Kinder und Jugendliche ("Nur das Beste für Dein Handy"). Angeboten wird das Herunterladen von Klingeltönen, Logos u. ä. auf Mobiltelefone über als "Bestellhotlines" bezeichnete Mehrwertdienste-Rufnummern. Die für Deutschland geltende 0190-Nummer ist im Fett- und Großdruck (ca. 9 mm hohe Ziffern) gehalten, während die zugehörige Preisangabe ("1,86 EUR/min.") in winzigen, kaum lesbaren Lettern (ca. 2 mm) am Ende der letzten Ziff. der 0190-Nummer und quergestellt angebracht ist. In der über den Nummern befindlichen Rubrik "Wie bestelle ich?" heißt es unter 3.: "In 1 Minute auf dem gewünschten Handy". Tatsächlich beträgt die durchschnittliche Dauer eines Klingeltonabrufs bei der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag ca. 3 Minuten und lässt damit Kosten von ca. 5,58 EUR entstehen (vgl. Schriftsatz vom 10.11.2003, S. 6, Bl. 58 d...