Leitsatz (amtlich)

1. Für die Nachbeurkundung einer Geburt gem. § 36 PStG bedarf es keiner Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises für das betroffene Kind, wenn nur fraglich ist, ob eine - dann gem. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG zu beurkundende - Person, deren deutsche Staatsangehörigkeit nachgewiesen ist, Elternteil des Kindes i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 StAG ist.

2. Art. 19 Abs. 1 EGBGB erfasst auch ausländisches Abstammungsrecht, das dem Kind gleichgeschlechtliche Eltern zuweist.

3. Art. 17b Abs. 4 EGBGB findet keine Anwendung, soweit die gleichgeschlechtliche Verbindung nur als Vorfrage der gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB anzuwendenden ausländischen Sachnorm erheblich ist; die Kappungsgrenze gilt für spezielle Verweisungsnormen nicht.

4. Zum südafrikanischen Abstammungs- und Namensrecht.

 

Normenkette

EGBGB Art. 6, 17b, 19 Abs. 1; PStG § 9 Abs. 1, §§ 10, 21, 36; PStG-VwV A 7.1; StAG § 4 Abs. 1 S. 1, § 30

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 08.11.2013; Aktenzeichen 71 III 250/13)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.04.2016; Aktenzeichen XII ZB 15/15)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert. Der Beteiligte zu 5) wird angewiesen, die Geburt der Beteiligten zu 3) gemäß dem Antrag vom 23.7.2012 zu beurkunden.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligte zu 1), deutsche und südafrikanische Staatsangehörige, und die Beteiligte zu 2), südafrikanische Staatsangehörige, leben in der Republik Südafrika und schlossen dort am ...2008 ausweislich des Registerausdrucks vom ...2008 (Bl. 7 d.A.) die Ehe nach südafrikanischem Recht ("civil union type marriage"). Diese Verbindung wurde 2012 in das Lebenspartnerschaftsregister des Beteiligten zu 5) - des Standesamts I in Berlin - eingetragen (Bl. 8 d.A.). Für die am ...2010 in Südafrika geborene Beteiligte zu 3) wurde durch das südafrikanische Department of Home Affairs eine Geburtsurkunde ausgestellt, in der die Beteiligte zu 1) als "parent1" und die Beteiligte zu 2) als "parent2" bezeichnet ist (Bl. 9 d.A.).

Mit konsularisch beglaubigter Erklärung vom 23.7.2012 (Bl. 3 ff. d. Sammelakten) haben die Beteiligten zu 1) und 2) beantragt, die Geburt der Beteiligten zu 3) mit ihnen als Eltern in dem Geburtenregister des Beteiligten zu 5) zu beurkunden, und angegeben, die Beteiligte zu 2) sei die leibliche Mutter, die das Kind geboren habe. Die Beteiligten zu 1) und 2) machen ferner geltend, die Beteiligte zu 3) sei aufgrund ihres gemeinsamen Entschlusses durch künstliche Befruchtung (heterologe Insemination) gezeugt worden, so dass auch die Beteiligte zu 1) als Elternteil (Mutter) anzusehen sei. Der Beteiligte zu 5) hat die Beurkundung unter dem 10.4.2013 abgelehnt, da die Beteiligte zu 3) nicht von der Beteiligten zu 1) abstamme und demgemäß auch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe. Den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2), das Standesamt zur Eintragung anzuweisen, hat das AG Schöneberg mit Beschluss vom 8.11.2013 zurückgewiesen. Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) bis 3) den Anweisungsantrag weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Rechtsansichten der Beteiligten wird auf die Akten nebst standesamtlicher Sammelakten Bezug genommen.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG i.V.m. § 51 Abs. 1 S. 1 PStG) und begründet. Die Voraussetzungen für die beantragte Anweisung nach § 49 Abs. 1 PStG liegen vor. Die Geburt der Beteiligten zu 3) ist gem. § 36 PStG im Geburtenregister des Beteiligten zu 5) einzutragen. Die Angaben der Beteiligten zu 1) und 2), an deren Richtigkeit kein Anlass zu Zweifeln besteht, sind in Verbindung mit den vorgelegten Dokumenten hinreichende Grundlage für die Nachbeurkundung, § 9 Abs. 1, § 10, § 21 i.V.m. § 36 Abs. 1 S. 2 PStG.

Die im Ausland geborene Beteiligte zu 3) ist Deutsche i.S.v. § 36 Abs. 1 S. 1 PStG. Für diese Feststellung bedarf es keiner Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises für die Beteiligte zu 3) nach § 30 Abs. 3 S. 1 StAG i.V.m. A 7.1 PStG-VwV. Ist für den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt (§ 4 Abs. 1 StAG) nur fraglich, ob das betroffene Kind von einer Person abstammt, deren deutsche Staatsangehörigkeit - wie hier für die Beteiligte zu 1) - nachgewiesen ist, ist die Elternschaft im Personenstandsverfahren zu klären. Denn es handelt es sich um eine Vorfrage zur Feststellung der Staatsangehörigkeit, die an die Voraussetzungen des Zivilrechts anknüpft. Die Staatsangehörigkeitsbehörde nimmt keine eigene Prüfung abstammungsrechtlicher Verhältnisse vor, sondern kann sich auf die Beweiskraft der Personenstandsregister und -urkunden nach § 54 PStG stützen (Blechinger/Bülow, Das neue Staatsangehörigkeitsrecht, Stand Sept. 2014, 4/2.1). Im Übrigen wäre eine positive behördliche Feststellung gem. § 30 Abs. 1 S. 2 StAG nur hinsichtlich des Bestehens der Staatsangehörigkeit verbindlich, nicht aber für die Frage, ob die Beteiligte zu 1) gem. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG als Elternteil im Geburtenregister zu beurkunden ist.

Die Beteiligte zu 3) hat...

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