Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsgrundlage im Verfahren der besonderen Haftprüfung
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren der besonderen Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO bildet allein der zuletzt erlassene und prozessordnungsgemäß bekanntgegebene Haftbefehl den Prüfungsgegenstand und die Prüfungsgrundlage. Daher ist bei der Beurteilung der Frage, ob besondere Schwierigkeiten oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein sonstiger wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO vorliegen, nur von den Taten auszugehen, die im Haftbefehl aufgeführt sind und deretwegen die Untersuchungshaft vollzogen wird.
Normenkette
StPO §§ 121-122
Tenor
Der Haftbefehl des Amtsgerichts T. vom 2. Juni 2016 - (348 Gs) 257 Js 175/15 (1785/16) - wird aufgehoben.
Gründe
I.
1. Die Angeklagte befindet sich seit dem 30. Juni 2016 aufgrund des auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls des Amtsgerichts T. vom 2. Juni 2016 - 348 Gs 1785/16 - in Untersuchungshaft.
Der Haftbefehl wirft der Angeklagten vor, in der Zeit zwischen Anfang September 2015 und dem 2. Oktober 2015 zwei Fälle des Computerbetruges begangen zu haben. Im Einzelnen wird ihr zur Last gelegt, spätestens im September 2015 mit einer im Ausland ansässigen Person namens "D" sowie den weiteren Beschuldigten B und Y übereingekommen zu sein, mittels sog. Phishings unrechtmäßig Geld zu erlangen. Ihr habe die Aufgabe oblegen, sog. Finanzagenten zur Eröffnung von Bankkonten und zur Gestattung der bewirkten Gutschriften auf diese Konten sowie Weiterleitung der Gelder an andere Tatbeteiligte zu veranlassen; ferner habe sie "die für den gewünschten Geldfluss nötigen organisatorischen Voraussetzungen für die Finanzagenten" schaffen sollen.
In Umsetzung dieses Tatplans habe sie die Finanzagenten P und L in der Wohnung B.straße beherbergt, unter der Anschrift F. -Straße zum Schein angemeldet, sie bei der Eröffnung der u.g. Konten (und weiterer, indessen nicht bezeichneter Konten) unterstützt und ihnen schließlich bei einer näher genannten Firma in B. eine Postfachadresse verschafft. Auf der Grundlage dieser Tatbeiträge der Angeklagten seien plangemäß zwei Überweisungen wie folgt bewirkt worden (wobei das weitere Schicksal der überwiesenen Geldbeträge im Haftbefehl nicht dargelegt ist):
- am 23. September 2015 von einem näher mitgeteilten Konto der Geschädigten J 29.001 Euro auf das Konto der P bei der P.bank AG B. mit der Nr. xx und
- am 2. Oktober 2015 von einem näher mitgeteilten Konto des Geschädigten M 8.500 Euro auf das Konto des L bei der P.bank AG B. mit der IBAN xx.
Für die genannten Handlungen (sowie für die Anleitung und Unterstützung weiterer, namentlich nicht genannter Finanzagenten) habe die Angeklagte ein Entgelt vereinnahmt und hierdurch (nicht näher bezeichnete) Einkünfte erzielt, die im Verhältnis zu ihren sonstigen Einkünften erheblich gewesen seien.
Den dringenden Tatverdacht hat das Haftgericht insbesondere auf die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen, auf zu den Akten gelangte Kontounterlagen und sichergestellte Briefe, auf (in polizeilicher und richterlicher Vernehmung getätigte) Aussagen der gesondert Verfolgten P und L sowie schließlich auf die Feststellungen der ermittlungsführenden Polizeibeamten KK W und POK Sch gestützt.
2. Die nach ihrer Festnahme am 30. Juni 2016 polizeilich und richterlich vernommene Angeklagte hat in diesen Vernehmungen Angaben zur Sache gemacht, die nach der Bewertung der Staatsanwaltschaft als im Wesentlichen geständig anzusehen sind. Die ebenfalls am 30. Juni 2016 durchgeführte Vernehmung des geschiedenen Ehemannes der Angeklagten und Durchsuchungen der von der Angeklagten genutzten Wohnungen in der H.straße in B. und (unter falschem Namen) in der G.straße in K. sowie des Anwesens T.straße in K. haben ausweislich eines abschließenden Berichts über die durchgeführten Durchsuchungen und Vernehmungen vom 4. Juli 2016 ("Abschlussbericht Durchsuchungsmaßnahmen") weitere Belege für die haftbefehlsgegenständlichen Tatvorwürfe erbracht.
Darüber hinaus fanden sich in den Durchsuchungsergebnissen Hinweise auf weitere Taten der Angeklagten. Diese weiteren (Urkunds-) Delikte, die in den Zeiträumen Oktober 2011 bis Oktober 2012 sowie von März bis Juni 2015 von der Angeklagten zu eigenem Nutzen begangen worden sein sollen, stehen - ebenso wie weitere ihr vorgeworfene Urkundenfälschungen im Zeitraum von Mai bis Juli 2015 - nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den der Angeklagten im Haftbefehl zur Last gelegten Taten.
3. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat die am 18. November 2016 gefertigte Anklage, wegen deren weiterer Einzelheiten der Senat auf den Inhalt der Anklageschrift verweist, am 21. November 2016 zum Landgericht Berlin erhoben. Die angeführten Tatvorwürfe aus dem Bereich der Urkundsdelikte sind als Fälle 1 bis 19 Bestandteile der Anklageschrift. Die beiden Vorwürfe aus dem Haftbefehl sind als Fälle 20 und 21 angeklagt. Zwei weitere Vorwürfe aus dem Phishing-Komplex, die den - in der Anklageschrift nicht als Zeugen ...