Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der ohne Anhörung des Betroffenen erfolgten Verteidigerbestellung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Angeklagte kann die Aufrechterhaltung einer Verteidigerbestellung gegen seinen Willen mit der Beschwerde anfechten.
2. Grundsätzlich muss der Angeklagte vor jeder Bestellung eines Pflichtverteidigers angehört werden, auch vor der Bestellung eines zweiten der Verfahrenssicherung dienenden Pflichtverteidigers. Die Anhörung kann nur ausnahmsweise entfallen, wenn wegen unvorhersehbarer Umstände eine Zeit zur Anhörung - notfalls auch einer telefonischen - vor dem Hauptverhandlungstermin nicht mehr gegeben ist.
3. Ist die Anhörung unzulässig unterblieben, so muss die Beiordnung nach § 143 StPO zurückgenommen werden, wenn sich für den Angeklagten ein Wahlverteidiger meldet, dies auch dann, wenn vorauszusehen ist, dass der Wahlverteidiger zeitnah seine Beiordnung beantragen wird.
Normenkette
StPO § 143
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.11.2008; Aktenzeichen (511) 5 Op Js 436/08 KLs (19/07)) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Vorsitzenden der Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 17. November 2008 aufgehoben.
Die Bestellung von Rechtsanwalt R. , straße , Berlin, als Pflichtverteidiger wird zurückgenommen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Gegen den Beschwerdeführer findet seit dem 13. November 2008 wegen des Vorwurfs des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 26 Fällen die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin statt. Der Angeklagte ist in dieser Sache aufgrund Haftbefehls der Kammer vom 5. September 2008 am 25. September 2008 festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2008 hat sich für den Angeklagten - unter Vorlage einer Vollmacht - Rechtsanwalt K. aus Berlin gemeldet, der dem Angeklagten in dem Haftprüfungstermin vom 23. Oktober 2008 antragsgemäß gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO als Verteidiger beigeordnet worden ist. Als Hauptverhandlungstermine sind mit dem Verteidiger zugleich der 13. und 17. November 2008 sowie der 8. Dezember 2008 abgesprochen worden, hinsichtlich des 8. Dezember 2008 seitens des Verteidigers jedoch unter Vorbehalt anderweitiger Verpflichtung. Noch am selben Tag hat der Vorsitzende die Hauptverhandlung auf den 13. und 17. November 2008 sowie den 8. Dezember 2008 terminiert, wobei Zeugen nur für den 13. und 17. November 2008 geladen wurden. Mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2008, bei der Strafkammer eingegangen am 29. Oktober 2008, hat Rechtsanwalt K. darum gebeten, von einer Terminierung am 8. Dezember 2008 Abstand zu nehmen, da er an diesem Tag bereits als Pflichtverteidiger in einer anderen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin geladen sei. Hierauf hat der Strafkammervorsitzende am 31. Oktober 2008 - ohne vorherige Anhörung des Angeklagten - diesem als weiteren Verteidiger zur Verfahrenssicherung Rechtsanwalt R. beigeordnet. Zugleich hat er hiervon Rechtsanwalt K. unterrichtet unter Hinweis u.a. darauf, dass der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen eine Aufhebung des für den 8. Dezember 2008 anberaumten Hauptverhandlungstermins nicht erlaube, und ihm weiterhin zugesichert, dass es am 8. Dezember 2008 nicht zu den Schlussvorträgen kommen soll, sondern dass hierfür vorerst der 15. und 18. Dezember 2008 freigehalten werden. Der Angeklagte ist von der Beiordnung eines weiteren Verteidigers nicht unterrichtet worden. Mit Schriftsatz vom 7. November 2008 bat Rechtsanwalt K. um Entpflichtung, da das erforderliche Vertrauensverhältnis zu dem Angeklagten nicht mehr bestehe. Hierauf hat der Strafkammervorsitzende mit Beschluss vom 10. November 2008 - ohne vorherige Anhörung des Angeklagten - Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger entbunden. In der Hauptverhandlung vom 13. November 2008 ist als Verteidiger Rechtsanwalt R. erschienen. Mit Schriftsatz vom 13. November 2008 hat Rechtsanwalt M. unter Vorlage einer auf ihn lautenden Strafprozessvollmacht angezeigt, dass er - offensichtlich nach dem Hauptverhandlungstermin vom selben Tag - von dem Angeklagten beauftragt worden sei, ihn zu verteidigen, und weiter mitgeteilt, dass er die Fortsetzungstermine vom 17. November 2008 und 8. Dezember 2008 wahrnehmen werde. In der Hauptverhandlung vom 17. November 2008 sind als Verteidiger die Rechtsanwälte R. und M. erschienen. Den von Rechtsanwalt M. für den Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, gemäß § 143 StPO Rechtsanwalt R. als Verteidiger zu "entpflichten" (d.h. die Beiordnung dieses Verteidigers nach § 143 StPO zurückzunehmen) wies der Strafkammervorsitzende mit Beschluss vom selben Tag zurück.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Angeklagten ist zulässig und begründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig.
Die Beschwerde ist insbesondere nicht wegen § 305 Satz 1 StPO unstatthaft. § 305 Satz 1 StPO bezieht sich nur auf solche Entscheidungen, die in einem ...