Leitsatz (amtlich)

Das Zugänglichmachen von Internet-Seiten mit pornographischem Inhalt ohne ein ausreichendes Alterskontrollsystem stellt einen Verstoß gegen § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB und gegen § 4 Abs. 2 JMStVtr dar.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 10.02.2005; Aktenzeichen 16 O 80/05)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 10.2.2005 - 16 O 80/05 - geändert:

Den Antragsgegnern wird im Wege einstweiliger Verfügung unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese im Falle der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr den Abruf pornographischer Darstellungen unter Nutzung des Altersverifikationssystems "ueber18.de" anzubieten und/oder zuzulassen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Antragsgegner zu je ½ zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 567 ff. ZPO zulässig und auch begründet.

Entgegen der Auffassung des LG steht dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er folgt aus § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 und § 4 Nr. 11 UWG.

Das LG hat es offen gelassen, ob das beanstandete Verhalten gegen § 184 StGB und/oder § 4 Abs. 2 Jugendmedienschutzvertrag (JMStVG) verstößt. Beide Fragen sind indessen zu bejahen.

Nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer einer Person unter achtzehn Jahren pornographische Schriften anbietet, überlässt oder zugänglich macht. Auch wenn diese Vorschrift nur anwendbar sein sollte, wenn pornographische Schriften einer bestimmten Person unter achtzehn Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich gemacht werden (OLG Düsseldorf v. 17.2.2004 - III-5 Ss 143/03-50/03, CR 2004, 456 m. Anm. Gercke = MMR 2004, 409, m.w.N.), so ist jedenfalls § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB einschlägig. Nach dieser Vorschrift macht sich u.a. strafbar, wer pornographische Schriften an einem Ort zugänglich macht, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist. Gemäß § 11 Abs. 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger insoweit gleich. Ein Computer mit Internet-Anschluss im häuslichen Bereich von Kindern und Jugendlichen ist im Übrigen ein solcher Ort i.S.d. § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB (OLG Düsseldorf v. 17.2.2004 - III-5 Ss 143/03-50/03, CR 2004, 456 m. Anm. Gercke = MMR 2004, 409). Ein Zugänglichmachen liegt nur dann nicht vor, wenn Vorkehrungen getroffen sind, die den Zugang Minderjähriger zu den pornographischen Inhalten regelmäßig verhindern. Dazu ist erforderlich, dass zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen eine "effektive Barriere" besteht, die er überwinden muss, um die Darstellung wahrnehmen zu können (BVerwG v. 20.2.2002 - 6 C 13/01, NJW 2002, 2966; BGH v. 22.5.2003 - 1 StR 70/03, NJW 2003, 2838; KG v. 26.4.2004 - 1 Ss 436/03, MMR 2004, 478). Das folgt aus dem anerkannten Schutzzweck der Norm (KG v. 26.4.2004 - 1 Ss 436/03, MMR 2004, 478).

Das von den Antragsgegnern praktizierte Alterskontrollsystem "ueber18.de" stellt sich nicht als eine solche effektive Barriere (vgl. zu denkbaren technischen Maßnahmen u.a. OLG Düsseldorf v. 16.4.1984 - 5 Ss 42/84-75/84 I, NJW 1984, 1977) dar. Ins Gewicht fällt insoweit, dass Jugendliche in aller Regel über die Möglichkeit verfügen, sich Personalausweise von Erwachsenen, insb. ihrer Eltern, zur Einsichtnahme zu verschaffen und sich alsdann mit einer dort entnommenen Personalausweiskennziffer Zugang zu den pornographischen Seiten des Internetangebotes der Antragsgegner zu verschaffen. Die Annahme, die Erwachsenen im Umfeld der Jugendlichen würden ihre Personalausweise so sicher verwahren, dass die mit ihnen lebenden Kinder keinen Zugang zu diesen Papieren hätten, ist für den Regelfall lebensfern.

Es handelt sich aber auch um einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. JMStVG. Danach sind Rundfunksendungen oder Inhalte von Telemedien (Angebote) mit pornographischen Inhalten unzulässig, es sei denn, von Seiten des Anbieters ist sicher gestellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (§ 4 Abs. 2 S. 1 JMStVG). Die Sicherstellung im Sinne der letztgenannten Vorschrift erfordert wiederum das Vorhandensein einer effektiven Barriere zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen (OLG Düsseldorf v. 16.4.1984 - 5 Ss 42/84-75/84 I, NJW 1984, 1977). Gerade daran fehlt es aber hier aus den vorgenannten Gründen.

Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der dargestellten Gesetzesverstöße (auch bei den Vorschriften des JMStVG handelt es sich um solche mit Normqualität i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG, vgl. Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rz. 11.180, aber auch den Regelungsgehalt, etwa des § 23 JMStVG) lässt sich - entgegen der Auffassung des LG - auch nicht mit der Erwägung in Abrede stellen, den Vorschriften fehle es jedenfalls an der von § 4 N...

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