Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Befriedungsgebühr durch Revisionsrücknahme
Leitsatz (redaktionell)
Durch Rücknahme der Revision kann die Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV-RVG nur dann anfallen, wenn zum Zeitpunkt der Rücknahme des Rechtsmittels Anhaltspunkte dafür vorgelegen hatten, dass im Falle ihrer Aufrechterhaltung eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 23.02.2006; Aktenzeichen (534) 63/45 Js 576/04 KLs (16/05)) |
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist dem Angeklagten in der Hauptverhandlung als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Das Landgericht hat diesen wegen schwerer Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Beschwerdeführer am 20. Juli 2005 Revision eingelegt, die er mit der allgemeinen Sachrüge begründet hat, das Rechtsmittel jedoch mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 zurückgenommen. Mit seinem Antrag auf Festsetzung der Kosten für das Revisionsverfahren hat er unter anderem neben der Verfahrensgebühr nach den Nrn. 4131, 4130 VV RVG für die Mitwirkung an der Rücknahme des Rechtsmittels die zusätzliche Gebühr der Nrn. 4141 Abs. 1 Ziff. 3, 4130 VV RVG in Höhe von 412 EUR begehrt. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung der zusätzlichen Gebühr abgelehnt. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete, gemäß den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
II.
Dem Beschwerdeführer steht die Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 3 i.V.m. Nr. 4130 VV RVG nicht zu.
Nach Nr. 4141 Abs. 1, 2 VV RVG soll der Verteidiger eine zusätzliche Gebühr erhalten, wenn durch seine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honorieren (s. BT Drs. 15/1971 S. 227 f).
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift muss die anwaltliche Tätigkeit für die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung im Strafbefehlsverfahren nach Einlegung des Einspruchs und im Berufungsverfahren sowie Revisionsverfahren ursächlich oder zumindest mitursächlich sein (Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 1 bis 3, Abs. 2 VV RVG; vgl. Schmahl in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl., Rn. 109, 112; a.A. Hartmann, Kostengesetze 35. Aufl., Rn. 8; jeweils zu Nr. 4141 VV RVG).
Anders als in den beiden erstgenannten Verfahren wird im Revisionsverfahren nicht stets eine Hauptverhandlung anberaumt. Dort ist vielmehr die Entscheidung durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO die Regel, während eine Revisionsverhandlung nur im Falle der Revision der Staatsanwaltschaft oder bei der Revision des Angeklagten, wenn das Revisionsgericht zu seinen Ungunsten vom Antrag der Generalstaatsanwaltschaft abweichen will (§ 349 Abs. 5 StPO), stattfindet.
Bei einer wortgetreuen Auslegung des Gesetzes kommt somit die zusätzliche Gebühr nur dann in Betracht, wenn jedenfalls im Falle der Revision des Angeklagten das Revisionsverfahren so weit fortgeschritten war, dass beurteilt werden kann, ob eine Revisionsverhandlung durchgeführt werden wird. Demzufolge wird die Auffassung vertreten, es müssten konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre; die vom Gesetzgeber gewollte Honorierung sei dort nicht angezeigt, wo der Anfall der Hauptverhandlungsgebühr (Nr. 4132 VV RVG) nicht zu erwarten sei (so OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. Mai 2005 -1 Ws 164/05 -). Nach anderer Ansicht soll es für die Entstehung der zusätzlichen Gebühr genügen, dass der Rechtsanwalt dem Angeklagten nach Einlegung der -nicht begründeten- Revision rät, diese zurückzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2005 - III-1 Ws 288/05 -).
Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Denn sie widerspricht in dieser Allgemeinheit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, das entscheidend und ausdrücklich auf die Vermeidung der Hauptverhandlung abstellt. Liegen aber nach dem Stand des Revisionsverfahrens im Zeitpunkt der Rücknahme der Revision keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Fall seiner Fortführung eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, kommt eine zusätzliche Gebühr nicht in Betracht. Dieses Ergebnis ist nicht unbillig, denn die im Anschluss an die Einlegung der Revision vorzunehmende prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts wird durch die Verfahrensgebühr (Nrn. 4130, 4131 VV RVG) abgedeckt. Hier hat der Beschwerdeführer mit der Revision lediglich die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Prognose über den weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens sind nicht ersichtlich. Die zusätzliche Gebühr scheidet daher aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
Fundstellen