Leitsatz (amtlich)
Verneint das Nachlassgericht seine örtliche Zuständigkeit, hat es von Amts wegen über die Verweisung eines Erbscheinsverfahrens an das zuständige Gericht zu entscheiden. Eines Verweisungsantrags des Antragstellers bedarf es nicht.
Normenkette
FamFG §§ 3, 343
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 30.05.2011; Aktenzeichen 62/67 VI 103/93) |
Tenor
Der Beschluss des AG Charlottenburg vom 30.5.2011 - 62/67 VI 103/93 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das AG Charlottenburg ist zur Entscheidung über die Erbscheinsanträge vom 17.3.2010 und vom 7.4.2011 örtlich unzuständig.
Das Erbscheinsverfahren wird an das AG Königs-Wusterhausen verwiesen.
Gründe
I. Das AG erteilte auf Antrag der Mutter des Beteiligten am 26.8.1993 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie und ihren Bruder als Erben zu je ½ nach dem Erblasser auswies. Dabei war davon ausgegangen worden, dass der Erblasser wie viele andere Mitglieder seiner Familie deportiert und in der Deportation umgekommen war.
Mit Beschluss vom 7.9.1995 zog das AG diesen Erbschein wieder ein, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Erblasser tatsächlich am 16.6.19... in N.Y. verstorben war, wohin er im Jahr 19-hatte auswandern können. Nach einer in Kopie vorliegenden Sterbeurkunde besaß der Erblasser bei seinem Tod die Staatsangehörigkeit der U.
Mit Schreiben vom 17.3.2010 und vom 7.4.2011 hat der Beteiligte die erneute Ausstellung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der wiederum seine Mutter und deren Bruder als Erben zu je ½ ausweisen sollte. Der Erbschein werde wegen eines im Bezirk des AG Königs-Wusterhausen belegenen Grundstücks benötigt.
Am 16.6.2010 hat das AG neben weiteren Hindernissen auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen und anheimgestellt, einen Verweisungsantrag zu stellen. Nachdem sich der Beteiligte in der Folgezeit geweigert hat, einen solchen Antrag zu stellen, hat das AG die Erbscheinsanträge mit am 7.6.2011 zugestelltem Beschluss vom 30.5.2011 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner am 6.7.2011 bei dem AG eingegangenen Beschwerde, der das AG mit Beschluss vom 7.7.2011 nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde, § 63 Abs. 1 FamFG, ist begründet.
Allerdings ist es im Ausgangspunkt rechtlich nicht zu beanstanden, dass das AG eine Sachentscheidung über die Erbscheinsanträge vom 17.3.2010 und vom 7.4.2011 von seiner örtlichen Zuständigkeit abhängig gemacht und diese im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers verneint hat. Das Nachlassgericht darf einen Erbschein nur erteilen, wenn es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, § 2359 BGB. Hierzu gehört auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, weil Verstöße hiergegen einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß begründen. Ein entsprechender Erbschein ist einzuziehen (J. Lange, in: JurisPK, BGB, 5. Aufl., § 2361 Rz. 6).
Das AG Charlottenburg ist örtlich nicht zuständig. Der Erblasser hatte in Deutschland keinen Wohnsitz und hat sich im Zeitpunkt des Erbfalls auch nicht im Bezirk des AG Charlottenburg aufgehalten, § 343 Abs. 1 FamFG. Dort befinden sich auch keine Nachlassgegenstände, § 343 Abs. 3 FamFG.
Gleichwohl durfte das AG Charlottenburg die Erbscheinsanträge nicht wegen seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit zurückweisen. Vielmehr hätte sich das AG gem. § 3 Abs. 1 FamFG durch Beschluss für unzuständig erklären und das Erbscheinsverfahren an das örtlich zuständige AG Königs-Wusterhausen verweisen müssen. Eines entsprechenden Verweisungsantrags des Beteiligten - der im Übrigen nunmehr mit der Beschwerde gestellt und von dem AG im Rahmen seiner Entscheidung nach § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG hätte berücksichtigt werden müssen, § 65 Abs. 3 FamFG - hierzu bedurfte es nicht. Allerdings wird die Ansicht vertreten, dass es in Antragsverfahren im Hinblick auf die Dispositionsmaxime eines Verweisungsantrags bedürfe, andernfalls der Antrag als unzulässig zu verwerfen sei (Sternal, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl., § 3 Rz. 36). Der Erbschein wird nur auf Antrag erteilt, § 2353 BGB. Nach anderer Ansicht hat das Gericht die Verweisung in jedem Fall von Amts wegen vorzunehmen (Schöpflin, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 2. Aufl., § 3 Rz. 4; Bumiller/Harders, FamFG, 11. Aufl., § 3 Rz. 4; Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 2. Aufl., § 3 Rz. 2; Bahrenfuss, FamFG, § 3 Rz. 4; Friderici, in: Friderici/Kemper, FamFG, § 3 Rz. 2; Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, § 3 Rz. 14).
Der Senat schließt sich der letzteren Auffassung an. Bereits nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1 FamFG ist ein Antrag nicht Voraussetzung für eine Entscheidung des Gerichts über die Verweisung des Verfahrens. Auch die Dispositionsmaxime begründet im Antragsverfahren das Erfordernis eines Verweisungsantrags nicht (so aber Sternal, a.a.O., unter Hinweis auf Bärmann, FGG, 1968, § 6, Anm. IV 2c). Sie besagt lediglich, dass der Antragsteller in solchen Verfahren gr...