Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung, ob "besondere Umstände" die Beiordnung eines Verkehrsanwalts erfordern (§ 121 Abs. 4 ZPO) und deshalb die uneingeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts zulässig ist, ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gebotene Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes auch die Rechtsprechung des BGH zur grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines am Wohnort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts zu beachten.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 1, 3-4
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 08.01.2007; Aktenzeichen 132 F 15901/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 8.1.2007 geändert:
Der Antragstellerin wird im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe Rechtsanwalt S. K., .straße. H.- uneingeschränkt beigeordnet.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
A. Der in einem Vorort von Hannover wohnenden Antragstellerin ist mit dem angefochtenen Beschluss des AG Prozesskostenhilfe für das Scheidungsverfahren unter Beiordnung des in Hannover ansässigen Rechtsanwalts K.- bewilligt worden, und zwar "gemäß § 121 Abs. 3 ZPO zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts". Die dem Prozessbevollmächtigten am 10.1.2007 formlos übersandte Ausfertigung dieses Beschlusses war jedoch fehlerhaft; der beschränkende Zusatz fehlte.
Zu dem auf den 4.10.2007 anberaumten Scheidungstermin ordnete das AG das persönliche Erscheinen der Antragstellerin an. In der mündlichen Verhandlung erschien allein ihr Prozessbevollmächtigter. Die Antragstellerin hatte in dem zur selben Zeit terminierten Parallelverfahren (Auskunft zur Geltendmachung von Unterhalt) darauf hingewiesen, dass ihr Anwalt umfassend informiert sei und damit in jenem Rechtsstreit einen Verzicht des Gerichts auf ihr persönliches Erscheinen erreicht.
Nach Abschluss des Scheidungsverfahrens beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Festsetzung seiner Vergütung einschließlich seiner Auslagen für Fahrtkosten nach Berlin (VV Nr. 7003) i.H.v. 146,50 EUR sowie Abwesenheitsgeld (VV Nr. 7005) von 35 EUR. Im Streit um die Absetzung dieser Kosten ist der Antragstellerin mit Schreiben des AG vom 11.6.2008 eine zutreffende Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses formlos mit der Bitte übersandt worden, die falsche Ausfertigung zu vernichten und das Versehen zu entschuldigen. Mit dem am 18.6.2008 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz vom 17.6.2008 hat die Antragstellerin gerügt, ihr Anwalt sei zur Frage einer Beiordnung zu den Konditionen eines ortsansässigen Anwalts nicht gehört worden und hat hinsichtlich der Doppelausfertigung des Beschlusses Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Mit Schreiben vom 12.8.2008 hat die Antragstellerin auf Anfrage mitgeteilt, der Schriftsatz vom 17.6.2008 solle als Beschwerde gegen den die Beiordnung nur eingeschränkt aussprechenden Beschluss angesehen werden. Dieser Beschwerde hat das AG mit Beschluss vom 27.11.2008 nicht abgeholfen.
B.I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Beschränkung der Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten im angefochtenen Beschluss ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Trotz der Bezeichnung als Dienstaufsichtsbeschwerde kann die Eingabe vom 17.6.2008 auch als Rechtsmittel gegen den Beschluss des AG vom 8.1.2007 verstanden werden. Denn die Antragstellerin wendet sich in diesem Schriftsatz ausdrücklich gegen die Beschränkung der Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Zudem entspricht die Auslegung als Rechtsmittel dem erklärten Willen der Antragstellerin. Die sofortige Beschwerde ist auch rechtzeitig eingelegt. Die Notfrist von einem Monat gem. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO war bei Eingang der Beschwerde am 18.6.2008 nicht verstrichen. Denn der im Jahr 2007 übersandten Ausfertigung des angefochtenen Beschlusses fehlte der die Antragstellerin beschwerende Zusatz, dieser wurde ihr erst mit - formlos übersandtem - Schreiben vom 11.6.2008 zusammen mit der berichtigten Ausfertigung des Beschlusses zur Kenntnis gebracht. Frühestens mit dem Zugang dieses Schreibens begann damit der Lauf der Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde gegen die beschränkte Beiordnung.
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des AG durfte es im vorliegenden Fall nicht bei der Beiordnung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts bleiben.
Die Beschwerde ist allerdings nicht bereits deswegen begründet, weil das AG die beschränkte Beiordnung ohne vorherige Nachfrage bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin angeordnet hat (BGH, NJW 2006, 1783). Denn die Kenntnis vom Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO wird bei einem Anwa...