Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 13.07.2020; Aktenzeichen 537 KLs 1/20 - 257 Js 179/19) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Rechtsanwälte P. und L. gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 37. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 2020 werden auf ihre Kosten verworfen.
Gründe
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. Oktober 2019 wurde dem Angeklagten zunächst - bereits im Ermittlungsverfahren - wunschgemäß Rechtsanwalt L. beigeordnet. Mit Beschlüssen vom 10. und 24. März 2020 ordnete die Vorsitzende der 37. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin dem Angeklagten weiterhin gemäß § 144 Abs. 1 StPO dessen Wahlverteidiger Rechtsanwalt P. und sodann Rechtsanwältin K. als weitere Pflichtverteidiger bei.
Nach dem zehnten Verhandlungstag der bereits seit dem 23. April 2020 andauernden Hauptverhandlung beantragten Rechtsanwalt P. mit Schriftsatz vom 1. Juli 2020 und Rechtsanwalt L. mit Schriftsatz vom 3. Juli 2020, als Verteidiger des Angeklagten entpflichtet zu werden. Zur Begründung führten beide Rechtsanwälte an, das Vertrauensverhältnis zu dem ihnen seit vielen Jahren, unter anderem aus zwei Pflichtverteidigungen bekannten Angeklagten sei gestört. Sie könnten nicht mehr auf den Inhalt der Verteidigergespräche mit dem Angeklagten vertrauen. Der Angeklagte seinerseits habe mehrfach gefragt, ob die Verteidiger seinen Angaben überhaupt noch glauben würden. Rechtsanwalt L. führte ergänzend aus, dass das ehedem auch freundschaftliche Verhältnis mittlerweile derart beeinträchtigt sei, dass es ihm auch emotional nicht mehr möglich sei, den Angeklagten angemessen zu verteidigen. Wegen des weiteren Vorbringens verweist der Senat auf die vorbezeichneten Schriftsätze.
Der Angeklagte nahm zu den Anträgen mit Schreiben vom 6. Juli 2020 Stellung und schloss sich den Anträgen der Rechtsanwälte P. und L. an, wobei er im Wesentlichen auf deren Antragsbegründung verwies.
Mit Beschuss vom 13. Juli 2020 hat die Vorsitzende der 37. großen Strafkammer die Anträge der Rechtsanwälte P. und L. auf Zurücknahme ihrer Bestellung als Pflichtverteidiger abgelehnt. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass es zwar sein könne, dass die Antragsteller von ihrem Mandanten nicht in allen Details umfassend und zutreffend informiert worden seien und sie durch dieses Verhalten des Angeklagten auch persönlich getroffen seien. Da hierüber hinaus aber keine konkreten (schwer wiegenden) Tatsachen vorgetragen worden seien, sei davon auszugehen, dass die Antragsteller trotz der persönlichen Betroffenheit in der Lage seien, ihre Aufgabe als unabhängiges Organ der Rechtspflege wahrzunehmen und ihrem Mandanten in dem laufenden Verfahren auf professioneller Ebene sach- und fachgerecht beizustehen. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf den Beschluss vom 13. Juli 2020.
Gegen diesen Rechtsanwalt L. am 16. Juli 2020 und Rechtsanwalt Pindar am 17. Juli 2020 zugestellten Beschluss haben Rechtsanwalt P. am 17. Juli 2020 und Rechtsanwalt L. am 22. Juli 2020 sofortige Beschwerde eingelegt. Beide haben ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren weiter vertieft und ergänzt. Insoweit verweist der Senat auf die Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführer vom 17. und 22. Juli 2020 sowie auf die ergänzenden Stellungnahmen vom 3. August 2020.
II.
1. Die sofortigen Beschwerden sind nach § 143a Abs. 4, § 304 Abs. 1, Abs. 2 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO).
Der Senat schließt sich der vom Bundesgerichtshof nunmehr explizit vertretenen Auffassung an, dass den Pflichtverteidigern gegen die Ablehnung ihrer Entpflichtung ein eigenes Beschwerderecht zusteht (BGH, Beschluss vom 5. März 2020 - StB 6/20 - juris Rn. 3 ff.; ebenso Krawczyk in BeckOK StPO 37. Ed. 1. Juli 2020, § 143a Rn. 40; für die alte Rechtslage verneinend KG Berlin, Beschluss vom 22. Mai 2018 - 4 Ws 62/18 - juris, m.w.N.; a.A. auch Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 63. Aufl., § 143a Rn. 36). Die Betroffenheit des Pflichtverteidigers ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden aus § 49 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 BRAO (BGH a.a.O.; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. August 2015 - III-3 Ws 307/15 - juris Rn. 9). Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen; solche können auch in einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses zu sehen sein (Weyland/Nöker, BRAO 10. Aufl., § 49 Rn. 9 m.w.N.). Wird der Antrag abgelehnt, ist für den Pflichtverteidiger gegen diese Entscheidung die sofortige Beschwerde gegeben, soweit sie - wie hier - nach § 304 StPO im Übrigen statthaft ist (BGH a.a.O.). Der Beschwerdebefugnis des Pflichtverteidigers steht in diesen Fällen nicht entgegen, dass in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung ausdrücklich nur ausgeführt wird, gegen die richterliche Ablehnung wie auch die Bestellung eines Pflichtverteidigers seien sowohl der Beschuldigte als auc...