Leitsatz (amtlich)
§ 9 ZPO ist auch auf eine negative Feststellungsklage anzuwenden.
Dies gilt auch dann, wenn der Gesamtbetrag der künftigen wiederkehrenden Leistungen nicht ungewiss ist (entgegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.1.2009, 4 W 36/08, OLGReport Frankfurt 2009, 255).
Normenkette
ZPO § 9
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen 20 O 116/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. gegen den Streitwertbeschluss des LG Berlin vom 19.3.2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die unter dem 15.4.2009 eingelegte Beschwerde, mit der die Erhöhung des Streitwerts verfolgt wird, ist - wie mit Schriftsatz vom 23.9.2009 klargestellt worden ist - als Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1. anzusehen und als solche gem. § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 68 GKG zulässig (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2007, 1999 [2000]; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1303; Madert in: Gerold/Schmidt, RGV, 18. Aufl., § 32 Rz. 123).
Die Beschwerde ist unbegründet, da das LG die Klage auf Feststellung, dass der Beklagten zu 1. gegen die Klägerin als stille Gesellschafterin kein Anspruch auf Leistung monatlicher Einlagezahlungen zusteht, zutreffend nach § 9 ZPO mit 42 × 106 EUR = 4.452 EUR bewertet hat.
Nach § 9 ZPO wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Leistungen nach dem 3,5-fachen Wert des einjährigen Bezugs berechnet, maximal jedoch nach einer etwaigen geringeren bestimmten Dauer.
Bei der für die Dauer der Mitgliedschaft zu erbringenden monatlichen Einlageleistung handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung aus einem Stammrecht, die § 9 ZPO unterfällt (s. BGH, Beschl. v. 4.4.2005 - II ZR 107/04, abrufbar bei beck-online; OLG Dresden, Beschl. v. 20.9.2005 - 8 W 702/05 - bei Juris-; KG, KGReport Berlin 2009, 358). Der Umstand, dass der Gesamtbetrag der Leistung von Anfang an bestimmt ist, steht der Annahme einer wiederkehrenden Leistung nicht entgegen, wie sich aus § 9 S. 2 ZPO ergibt. Maßgeblich für die Einordnung als wiederkehrende Leistung in Abgrenzung zu einer Verbindlichkeit, die in einer Summe entstanden, aber ratenweise zu tilgen und nach der allgemeinen Vorschrift des § 3 ZPO zu bewerten ist (vgl. etwa OLGReport München 2001, 220; OLGReport Köln 1999, 404; OLGReport Frankfurt 2003, 52), ist es, dass die Einlageverpflichtung nicht im Zeitpunkt des Beitritts in vollem Umfang entstanden und nur gestundet ist, sondern dass sie erst in Zukunft zeitanteilig aus der Mitgliedschaft als Stammrecht zur Entstehung gelangt. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Verpflichtung zur Einlageleistung mit einer vorzeitigen Kündigung des Gesellschafters aus wichtigem Grund enden würde (s. bereits KG KGReport Berlin 2008, 758, 759). Der abweichenden Entscheidung OLG München, DB 2005, 1567, wonach keine wiederkehrende Leistung aus einem Stammrecht, sondern eine vereinbarungsgemäß in Raten zu erbringende Einlageverpflichtung vorliege, kann damit nicht gefolgt werden.
Der Anwendung des § 9 ZPO steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Klage auf negative Feststellung gerichtet ist. Die von § 9 ZPO bezweckte Streitwertbeschränkung ist auch auf eine negative Feststellungsklage anzuwenden, da diese nach allgemeinen Grundsätzen lediglich das Gegenstück der Leistungsklage ist (vgl. allg. BGHZ 2, 276 = NJW 1951, 801; Gamp in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 9 Rz. 11; Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 9 Rz. 1; Wöstmann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 9 Rz. 8; Heinrich in: Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 9 Rz. 4; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 9 Rz. 3; für den Fall der negativen Feststellungsklage gegen die Pflicht zur ratenweisen Einlageleistung s. BGH, Beschl. v. 4.4.2005 - II ZR 192/04; KG, KGReport Berlin 2009, 358; OLG Naumburg, Beschl. v. 16.7.2007 - 10 W 29/07 (Hs) - bei Juris -; OLG Dresden, Beschl. v. 20.9.2005 - 8 W 702/05 - bei Juris -). Der Ansicht des OLG Frankfurt im Beschluss vom 14.1.2009 (OLGR 2009, 255), dass die negative Feststellungsklage gegen ein Bezugsrecht von bestimmter Dauer mangels "Unsicherheit" der künftigen Enwicklung nicht nach § 9 ZPO, sondern nach § 3 ZPO zu bewerten sei, vermag der Senat nicht zu folgen (ablehnend auch Hüsstege, a.a.O., und Heinrich, a.a.O.). Dass § 9 ZPO nur der Unsicherheit Rechnung tragen soll, ob ein Titel auf künftige Leistung sodann tatsächlich zu einer Zahlung führt, ist weder dem Wortlaut noch dem Zweck der Vorschrift zu entnehmen. Vielmehr schreibt sie im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfachung eine normative Streitwertbemessung vor (s. Heinrich, a.a.O., Rz. 1; Wöstmann, a.a.O., Rz. 1) und führt im Ergebnis zu einer vom Gesetzgeber gewollten Gebührenentlastung der Parteien bei einem Streit über langfristige Verträge (s. KG, KGReport Berlin 2009, 358).
Fundstellen
Haufe-Index 2249771 |
JurBüro 2010, 84 |
MDR 2010, 47 |
RVGreport 2009, 439 |