Leitsatz (amtlich)
1. Im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren entsteht keine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 RVG-VV.
2. Mehrere Kostenfestsetzungsbeschlüsse gemäß § 464b StPO bzw. § 55 RVG können derart in einem Sachzusammenhang stehen, dass der Beschwerdewert im Sinne des § 304 Abs. 3 StPO insgesamt einheitlich zu betrachten ist. So verhält es sich, wenn die Entscheidung über einen Kostenfestsetzungsantrag auf mehrere (Teil-)Beschlüsse "verteilt" wird. In einem solchen Fall sind die Beschwerdewerte der (Teil-)Beschlüsse zusammenzurechnen und kann eine Erinnerung als sofortige Beschwerde zu behandeln sein.
3. Zur Glaubhaftmachung betreffend die Geltendmachung der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 Buchst a RVG-VV.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen (551 Rh) 152 Js 182/15 Reha (119/15)) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Rechtsanwalts J., x, xstraße x, gegen die Beschlüsse der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 13. November 2015 und 4. Dezember 2015 werden verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Der beschwerdeführende Rechtsanwalt hat den Betroffenen im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren vertreten. Er hat zunächst die Aufhebung vierer in den Jahren 1976 bis 1982 ergangener Urteile des Stadtbezirksgerichts Prenzlauer Berg geltend gemacht. Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Berlin eine Stellungnahme abgegeben hatte, die lediglich die Aufhebung zweier dieser Urteile für gerechtfertigt hielt, hat der Beschwerdeführer den ursprünglichen Rehabilitierungsantrag in dem Umfang zurückgenommen, wie er nach der staatsanwaltlichen Stellungnahme als unbegründet anzusehen war, und den Antrag im Übrigen aufrechterhalten. Das Landgericht hat den Betroffenen entsprechend diesem Antrag rehabilitiert und seine notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt. Der Betroffene hat seinen Erstattungsanspruch an den Beschwerdeführer abgetreten.
In seinem Kostenfestsetzungsantrag, der sich auf insgesamt 1.145,44 Euro beläuft, hat der Beschwerdeführer (neben der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren) eine zusätzliche Gebühr geltend gemacht, die er auf 277,50 Euro beziffert hat. Er ist der Auffassung, dass ihm diese Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG i.V.m. Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG zustehe, weil durch die Teilrücknahme des Antrages das weitere Rehabilitierungsverfahren entbehrlich geworden sei und das Landgericht gemäß § 12 Abs. 3 StrRehaG durch einen nicht mit einer Begründung versehenen Beschluss habe entscheiden können. Außerdem hat er in dem Kostenfestsetzungsantrag eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 1a) VV RVG für 467 "Ablichtungen (Kopien)" aus den in der ehemaligen DDR geführten amtlichen Ermittlungsakten in Höhe von 87,55 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 104,18 Euro, beansprucht, die er in der Weise berechnet hat, dass er von der Gesamtzahl der abgelichteten Aktenblätter (564) einen pauschalen Abzug von 20 % vorgenommen hat.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat mit Beschluss vom 13. November 2015 den Erstattungsbetrag auf 711,03 Euro festgesetzt und darin den Antrag auf Erstattung einer zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zurückgewiesen. Die Entscheidung über die geltend gemachte Dokumentenpauschale hat die Rechtspflegerin zwecks weiterer Prüfung zunächst zurückgestellt und den Antrag mit Beschluss vom 4. Dezember 2015 zurückgewiesen. Der Rechtsanwalt hat gegen den Beschluss vom 13. November 2015 sofortige Beschwerde und gegen den Beschluss vom 4. Dezember 2015 "Erinnerung" eingelegt.
1. Die fristgerecht eingelegte, die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO übersteigende sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 13. November 2015 ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Rechtspflegerin hat mit Recht die beanspruchte zusätzliche Gebühr abgesetzt. Ebenso wenig wie eine Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV RVG) im Rehabilitierungsverfahren entstehen kann, weil dieses Verfahren ein Vorverfahren nicht kennt (vgl. Senat JurBüro 2015, 520; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 22. Aufl., Vorbem. 4 VV RVG Rdn. 8 m.w.N.), entsteht im Rehabilitierungsverfahren eine sog. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG. Denn eine Hauptverhandlung ist im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren nicht vorgesehen. Eine entsprechende Anwendung der Nr. 4141 VV RVG gemäß der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG kommt nicht in Betracht, weil das Gericht in der Regel ohne mündliche Erörterung zu entscheiden hat (§ 11 Abs. 3 Satz 1 StrRehaG), wodurch sich das strafrechtliche Rehabilitierungsverfahren (auch) in diesem Punkt vom Strafverfahren unterscheidet.
Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG als Betragsrahmengebühr eine Festgebühr ist (vgl. Senat JurBüro 2012, 466; Burhoff in Gerold/Schmidt a.a.O., Nr. 4141 VV RVG Rdn. 50 m.w.N.). Demzufolge hätte der Beschwerdeführer sie in der Annahme, dass sie dem Grunde nach entstanden sei, gemäß Nr. 4141 Abs. 3 Satz 2 VV RVG nur in Höhe der Mittelgebühr der Verfa...