Leitsatz (amtlich)
Zur Bemessung von Terminsgebühren.
Die Vorschrift des § 464d StPO ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar.
Bei der Entscheidung über die nach den Nrn 7000, 7001 VV RVG geltend gemachten Auslagen kann von der für die Gebührensätze vorgenommenen Quotelung abgewichen und in einer "gemischten" Berechnung die Differenzmethode angewendet werden.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 23.06.2008; Aktenzeichen (532) 1 Kap Js 1316/01 Ks (7/06)) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts J., ..., wird der Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 23. Juni 2008 dahin geändert, daß dem Rechtsanwalt aus der Landeskasse Berlin weitere 1.975,76 EUR zu erstatten sind.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, wobei die Gebühr um ein Drittel ermäßigt wird und in diesem Umfang die gerichtlichen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Landeskasse Berlin zur Last fallen.
Der Beschwerdewert wird auf 5.755,34 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Landgericht (Schwurgericht) hat die frühere Angeklagte am 22. März 2007 von dem Vorwurf des Mordes, des Betruges sowie des versuchten Betruges in zwei Fällen freigesprochen und sie wegen Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Im Umfang des Freispruchs sind die Kosten des Verfahrens und insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Landeskasse Berlin auferlegt worden. Die frühere Angeklagte hat den Kostenerstattungsanspruch an ihren Verteidiger, Rechtsanwalt J., abgetreten, der eine Kostenerstattung von insgesamt 10.528,23 EUR geltend gemacht hat. Dem hat die Rechtspflegerin mit Beschluß vom 23. Juni 2008 nur in Höhe 4.772,89 EUR entsprochen. Der sofortigen Beschwerde des Rechtsanwalts kann ein Teilerfolg in Höhe von 1.975,76 EUR nicht versagt bleiben.
1.
Nicht zu beanstanden ist zunächst, daß die Rechtspflegerin die Höhe der anteilig von der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der früheren Angeklagten durch Quotelung (§ 464d StPO) ermittelt hat. Die Vorschrift des § 464d StPO wendet sich nicht nur an den Tatrichter, sondern auch an den mit der Kostenfestsetzung befaßten Rechtspfleger (vgl. BT-Drucksache 12/6962 S. 111), der nach pflichtgemäßem Ermessen selbst entscheidet, ob er von der Möglichkeit einer Quotelung Gebrauch macht oder die zu erstattenden Auslagen nach der Differenzmethode festsetzt (vgl. OLG Koblenz, Beschluß vom 10. September 2007 - 1 Ws 191/07 - bei [...]; OLG Karlsruhe StV 1998, 609; LR-Hilger, StPO 25. Aufl., Rdn. 7 zu § 464d). Auch der Umstand, daß die Kostengrundentscheidung des Schwurgerichts keine Quotelung enthält, steht einer Kostenfestsetzung nach Bruchteilen nicht entgegen (vgl. OLG Dresden, Beschluß vom 9. Januar 2002 - 1 Ws 249/01 - bei [...]). Denn dabei handelt es sich lediglich um einen anderen - gegenüber der Differenzmethode vereinfachten - und in der Regel ebenso zuverlässigen Weg zur Ermittlung der dem Angeklagten zu erstattenden Auslagen, sofern nicht durch eine unsachgemäße Schätzung der auf den Teilfreispruch entfallenden Quote eine nachträgliche Änderung der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung bewirkt wird.
Allerdings ist der Anteil von 70% der notwendigen Auslagen, den die Rechtspflegerin hier für den Teilfreispruch angesetzt hat, nach dem überragenden Gewicht dieser Tatvorwürfe und dem Umfang der insoweit durchgeführten Beweisaufnahme zu gering bemessen. Angemessen erscheint dem Senat eine Quote von 90%.
2.
Für die Höhe der einzelnen Gebühren, die dem Verteidiger für seine Tätigkeit insgesamt zustehen, gilt folgendes:
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühren unter Berücksichtigung der in dieser Vorschrift genannten Kriterien nach billigem Ermessen. Sind die Gebühren von einem Dritten, wie hier von der Landeskasse zu erstatten, ist seine Bestimmung jedoch unverbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dann der Fall, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20% über der angemessenen Höhe liegt (vgl. Beschluß vom 3. Dezember 2007 - 1 Ws 214/07).
a.
Danach hat die Rechtspflegerin die mit jeweils 200,00 EUR beantragten Gebühren für die Haftprüfungstermine beim Ermittlungsrichter am 19. Mai 2006 und vor dem Schwurgericht am 4. September 2006 zu Recht als unbillig angesehen und nach Nr. 4103 VV RVG mit einem Abschlag von 10% der Mittelgebühr auf jeweils 154,13 EUR festgesetzt. Bei der Bemessung der Gebühr für gerichtliche Termine außerhalb der Hauptverhandlung ist zu beachten, daß der Gebührenrahmen nach Satz 2 der amtlichen Anmerkung zu Nr. 4102 VV RVG für insgesamt drei Termine pro Verfahrensabschnitt ausgelegt und deshalb in durchschnittlich gelagerten Fällen die Teilnahme an nur einem Termin in der Regel mit einem Betrag unterhalb des Rahmenmittels zu honorieren ist (vgl. KG, Bes...