Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 31.05.2016; Aktenzeichen (534) 274 Js 436/16 KLs (11/16)) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 31. Mai 2016 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom selben Tag aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
I.
Der Vorsitzende der Strafkammer 34 des Landgerichts Berlin ordnete mit Beschluss vom 31. Mai 2016 dem Beschwerdeführer neben dessen bereits beigeordneten Verteidiger Rechtsanwalt B. "zur Sicherung des Verfahrens" als weiteren Pflichtverteidiger Rechtsanwalt S. bei. Zuvor hatte der Vorsitzende dem Verteidiger Rechtsanwalt B. eine Frist zur Benennung eines weiteren Verteidigers gesetzt und bis zum 30. Mai 2016, 11.00 Uhr verlängert, da er aufgrund der Mitteilung des Rechtsanwalts vom 11. Mai 2016 davon ausging, dass dieser nicht an allen Terminstagen anwesend sein könnte. Der Verteidiger sicherte eine Rücksprache mit seinem Mandanten zu. Mit Fax vom 31. Mai 2016, beim Landgericht um 11:40 Uhr eingegangen, teilte der Verteidiger mit, dass er nunmehr an sämtlichen Terminstagen teilnehmen könne. Um 12:57 Uhr versandte das Landgericht ein Fax mit dem Beiordnungsbeschluss vom 31. Mai 2016 u.a. an Rechtsanwalt B. Wiederum mit Fax vom 31. Mai 2016 verlangte dieser die Aufhebung der weiteren Beiordnung, was das Landgericht mit weiterem Beschluss vom selben Tag ablehnte.
II.
1.) Die gegen den Beiordnungsbeschluss in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses gerichtete Beschwerde des Angeklagten ist gemäß § 304 StPO zulässig und insbesondere auch nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen, weil der angegriffene Beschluss mit der Urteilsfindung in keinem Zusammenhang steht, sondern hiervon unabhängig der Sicherung eines justizförmigen Verfahrens dient und dadurch eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung erlangt (vgl. KG, Beschluss vom 20. September 2013 - 4 Ws 122/13 - mit weit. Nachweisen; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., § 141 Rdn. 10a, § 305 Rdn. 5). Die Beschwerde ist ausdrücklich im Auftrag des Beschwerdeführers erhoben.
Der Angeklagte ist durch die Aufrechterhaltung der Beiordnung von Rechtsanwalt S. als weiteren Pflichtverteidiger auch beschwert.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin führt hierzu aus:
"Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zwar im Grundsatz für den Angeklagten nicht belastend, weshalb sie einer Anfechtung auch regelmäßig entzogen ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 23. November 2012 - 3 Ws 653/12 -; vom 4. Dezember 2012 - 3 Ws 683/12 -; und vom 29. Januar 1999 - 3 Ws 60/99 -). Das gilt auch für die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers (vgl. KG, Beschluss vom 29. Januar 1999 - 3 Ws 60/99 - [juris]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. November 2000 - 1 Ws 568/00 - [juris]; Thüringer OLG, Beschluss vom 10. Mai 2012 - 1 Ws 173/12 - [juris]). Es ist aber anerkannt, dass die Beschwerde dann zulässig sein kann, wenn der Angeklagte substantiiert geltend macht, die Pflichtverteidigerbestellung sei unzulässig oder sachlich nicht gerechtfertigt, etwa weil die Vorschrift des § 142 Abs. 1 StPO nicht beachtet wurde, kein Vertrauensverhältnis besteht, der bestellte Verteidiger unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen oder dass durch den weiteren Verteidiger das mit dem ersten Verteidiger abgestimmte Verteidigungskonzept des Angeklagten durch insoweit unpassende Sach- oder Prozessanträge gestört wird. Der Angeklagte wird dann nämlich dazu gezwungen, sich entgegen seinem Willen mit zwei statt nur einem Verteidiger abzustimmen, wodurch seine Verteidigung beeinträchtigt sein kann (vgl. KG, Beschluss vom 3. Dezember 2008 - 4 Ws 119/08 - [juris]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. November 2000 - 1 Ws 568/00 - [juris], Lüderssen/Jahn in: Löwe-Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 143 Rdn. 15; einschränkend Thüringer OLG, Beschluss vom 10. Mai 2012 - 1 Ws 173/12 - [juris]). Aus diesem Grund ist es geboten, in solchen Fällen die Möglichkeit einer Überprüfbarkeit der Verteidigerbestellung im Beschwerderechtszug zu eröffnen, zumal wenn sie dem ausdrücklichen Wunsch des Angeklagten widerspricht und dieser anderweitig verteidigt ist.
So ist es hier, denn der Angeklagte rügt, dass die Bestellung eines zweiten Verteidigers nicht geboten und die Ablehnung der Rücknahme objektiv willkürlich sei, nachdem der erste Verteidiger nunmehr an allen geplanten Verhandlungstagen die Verteidigung wird wahrnehmen können."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.
2.) Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Es kann hier offen bleiben, ob der Vorsitzende im Zeitpunkt der Beiordnungsentscheidung am 31. Mai 2016 bereits von der Mitteilung des Rechtsanwalts B., dass dieser doch an sämtlichen Terminen teilnehmen könne, Kenntnis gehabt hat. Jedenfalls liegen zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für eine weitere Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 oder § 140 Abs. 2 StPO nicht ...