Leitsatz (amtlich)
Die von dem Strafgericht gem. § 111b StPO angeordnete sog. Rückgewinnungshilfe lässt das Sicherungsbedürfnis des Arrestgläubigers nicht entfallen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.12.2009; Aktenzeichen 5 O 493/09) |
Tenor
Der Beschluss des LG Berlin vom 10.12.2009 - Geschäftsnummer 5 O 493/09 - wird geändert:
Wegen einer glaubhaft gemachten Forderung der Antragsteller i.H.v. 45.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 35.000 EUR seit dem 27.6.2008 und aus weiteren 10.000 EUR seit dem 1.7.2008 sowie einer Kostenpauschale von 6.020 EUR wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegner angeordnet.
Die Vollziehung des Arrestes wird gehemmt durch Hinterlegung von 51.020 EUR (inklusive Kostenpauschale).
Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsgegner zu tragen.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeinstanz auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Zur Entscheidung ist gem. § 568 ZPO der Einzelrichter berufen. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen gem. § 569 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Beschluss war zu ändern. Die von dem AG Tiergarten gemäß § 111b StPO angeordnete sog. Rückgewinnungshilfe lässt das Sicherungsbedürfnis der Antragsteller nicht entfallen.
Die Antragsteller haben einen Arrestanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, §§ 830, 840 BGB glaubhaft gemacht. Das will offenbar auch das LG nicht in Abrede stellen.
Die Antragsteller haben ferner einen Arrestgrund glaubhaft gemacht. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das vorsätzliche vertragswidrige Verhalten des Schuldners mit einer gegen den Gläubiger gerichteten strafbaren Handlung zusammenfällt (BGH WM 1983, 614; vgl. auch OLG Dresden MDR 1998, 795; differenzierend OLG Köln MDR 2008, 232). Dieser Umstand genügt jedenfalls bei Vermögensdelikten wie dem hier in Rede stehenden Eingehungsbetrug (Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO, 3. Aufl., § 917 Rz. 11). In einem solchen Fall ist die Annahme gerechtfertigt, der Täter werde sein rechtswidriges Verhalten fortsetzen und daher die Vollstreckung vereiteln oder wesentlich erschweren. Besondere Gründe, die ausnahmsweise den Arrestgrund entfallen lassen könnten, wie etwa die Absicht des Täters, den Schaden wieder gut zu machen, sind aufgrund des von den Antragstellern dargelegten vorgerichtlichen Verhaltens der Antragsgegner nicht zu erkennen. Dagegen stellt die Vermögensbeschlagnahme (dazu sogleich) einen Arrestgrund nicht dar (OLG Hamm OLGReport Hamm 2004, 55), schließt ihn aber entgegen der Ansicht des LG auch nicht aus (Drescher in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 917 Rz. 6).
Die von dem AG Tiergarten angeordnete Rückgewinnungshilfe lässt das Sicherungsbedürfnis der Antragsteller nicht entfallen. Maßnahmen von Behörden stellen keine anderweitige Sicherung der Antragsteller dar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 917 Rz. 11; HdBVR-Dunkl, 3. Aufl., Kapitel A, Rz. 162; ferner Drescher in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 917 Rz. 16; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 917 Rz. 15; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 917 Rz. 26; a.A. Musielak/Huber, ZPO, 7. Aufl., § 917 Rz. 8; vgl. zum Ganzen auch Köper NJW 2004, 2485). Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der Verletzte Einfluss weder auf ihre Anordnung noch - wie hier die Antragsteller - auf ihren Fortbestand hat. Es kommt hinzu, dass die Anwendung von § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO bei mehreren Verletzten nicht etwa zur Folge hat, dass alle Verletzten mit ihren Pfändungspfandrechten den gleichen Rang haben. Vielmehr bleibt das vollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip unangetastet (BGH NJW 2000, 2027). Schließlich ist in der strafrechtlichen Judikatur und Literatur anerkannt, dass der Verletzte, um auf das von der Staatsanwaltschaft arrestierte Vermögen zugreifen zu können, eines Titels in Form eines vorläufig vollstreckbaren Urteils oder eines Arrestbefehls bedarf (vgl. statt aller Meyer-Goßner/Cierniak, StPO, 52. Aufl., § 111g, Rz. 2; ferner BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf Wistra 1992, 319). Dann kann ihm aber nicht der Erlass eines Arrestbefehls mit der Begründung verwehrt werden, er sei durch die Rückgewinnungshilfe bereits ausreichend gesichert. Jedenfalls geböte der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, die Antragsteller nicht zwischen die Mühlsteine der etwa unterschiedlichen Auffassungen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Stimmen geraten zu lassen.
Darauf, dass die Antragsteller nicht schon früher um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht haben, kommt es nicht an. Ein längeres Zuwarten lässt allenfalls die Dringlichkeit einer sog. Regelungsverfügung nach § 940 ZPO (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rz. 4) entfallen.
Gemäß § 923 ZPO war die sog. Lösungssumme zu bestimmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts findet ihre Grundlage in § 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2285672 |
wistra 2010, 116 |
NStZ-RR 2010, 179 |
MMR 2010, 376 |