Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 19.04.2013) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Potsdam wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 19. April 2013 aufgehoben.
2. Die Sicherungsverwahrung dauert fort.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse Berlin.
Gründe
I.
Das Landgericht Potsdam hat - sachverständig beraten von den psychiatrischen Gutachtern Prof. Dr. K und Dr. L - durch Urteil vom 28. Oktober 2010 die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung vom 13. April 2007 angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision ist durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juni 2011 verworfen worden.
Die Sicherungsverwahrung wird seit dem 21. Juni 2011 auf dem Gelände der JVA Tegel vollstreckt. Zuvor verbüßte der Verurteilte die zehnjährige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Potsdam vom 17. November 2000 bis zum 30. Juni 2010 und befand sich seit dem 1. Juli 2010 - mit einer Unterbrechung von sechs Monaten für eine weitere Strafverbüßung - auf Grund des Beschlusses des Landgerichts Potsdam vom 9. Juni 2010 in (vorläufiger) Unterbringung gemäß § 275a Abs. 6 StPO.
Mit Beschluss vom 19. April 2013 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt, die Entlassung des Verurteilten angeordnet und ihm für die zugleich eintretende Führungsaufsicht zahlreiche Weisungen erteilt.
Mit ihrer gegen diese Entscheidung eingelegten sofortigen Beschwerde begehrt die Staatsanwaltschaft Potsdam die Fortdauer der Unterbringung.
II.
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Sie ist gemäß §§ 463 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaft und fristgemäß im Sinne von § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden - also zulässig. Sie ist auch begründet. Die Sicherungsverwahrung hat fortzudauern.
1. Der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung war u.a. folgendes vorausgegangen:
a) Am 17. November 2000 verurteilte das Landgericht Potsdam den mehrfach und einschlägig vorbestraften Beschwerdegegner wegen eines erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Vergewaltigung und wegen Diebstahls zu zehn Jahren Gesamtfreiheitsstrafe und ordnete seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus an (Anlassverurteilung). Dem lag zugrunde, dass der Verurteilte - wenige Tage nach seiner Entlassung aus mehrjähriger Strafhaft wegen einer einschlägigen Tat - am 1. April 2000 eine ihm unbekannte Frau auf offener Straße in den Kofferraum eines von ihm zuvor entwendeten Pkws sperrte, um durch ihre Entführung Lösegeld zu erpressen. Einem während dieser Tat gefassten Entschluss folgend vergewaltigte er sein Opfer unter Todesdrohungen. Das Landgericht ging in seinem Urteil - gutachterlich beraten - davon aus, dass der Beschwerdegegner an einer Borderline-Störung mit paranoid antisozialen Zügen vom Ausprägungsgrad einer "anderen schweren seelischen Abartigkeit" im Sinne des § 20 StGB leidet. Da sich diese Annahme im Verlaufe des Aufenthalts des Beschwerdegegners im Maßregelvollzug in der Landesklinik Brandenburg nicht bestätigte, erklärte die damals zuständige Strafvollstreckungskammer die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus am 5. Februar 2002 für erledigt und überwies den Verurteilten in den Strafvollzug. Die Gesamtfreiheitsstrafe verbüßte er bis zum 30. Juni 2010 vollständig.
b) Auch während des Strafvollzuges beging der Untergebrachte weitere Straftaten. Am 1. September 2005 wurde er wegen einer versuchten Nötigung zum Nachteil der Leiterin der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Brandenburg (Tat vom 27. September 2004) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Am 28. Juni 2010 erkannte das Landgericht Potsdam wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zum Nachteil eines Mitgefangenen (Tat vom 16. September 2006) auf eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
c) Darüber hinaus war sein Vollzugsverhalten bis zur Entscheidung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung durch eine fordernde, berechnende und verbal drohende Verhaltensweise gekennzeichnet. Um seinen Willen durchzusetzen, bedrohte er mehrfach Vollzugsmitarbeiter und zerstörte Anstaltsinventar. Wegen seines aggressiven Verhaltens musste er wiederholt in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht werden. Aus Sicherheitsgründen - es wurden Übergriffe auf Bedienstete und Mitgefangene befürchtet - wurde er 2007 von der Justizvollzugsanstalt Brandenburg in die Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen und im September 2008 in die Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel verlegt.
2. Nachdem das Landgericht Potsdam daraufhin durch sein Urteil vom 28. Oktober 2010 - bestätigt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 21. Juni 2011 - die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 und Abs. 2 StGB in der Fassung vom 13. April 2007 angeordnet hatte...