Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 17.06.2008; Aktenzeichen 27 O 357/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zu 1) wird der Beschluss des LG Berlin vom 17.6.2008 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Von den in erster Instanz angefallenen Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin haben die Antragstellerin und der Antragsgegner zu 2) jeweils die Hälfte zu tragen. Ferner hat die Antragstellerin die in erster Instanz angefallenen außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners zu 1) zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin bei einem Wert von bis zu 4.000 EUR zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin beantragte am 9.4.2008 beim LG Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegner wegen der Verbreitung einer geschäftsschädigenden Äußerung. Im Hinblick auf ein Schreiben des Prozessbevollmächtigen der Antragsgegner vom 10.4.2008 hat sie den Antrag vor einer Entscheidung des LG zurückgenommen genommen und beantragt, die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO den Antragsgegner aufzuerlegen. Diesem Antrag hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.6.2008 entsprochen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner zu 1) im Wege der sofortigen Beschwerde.
II. Die gem. §§ 269 Abs. 5 i.V.m. 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde des Antragsgegners zu 1) hat auch in der Sache Erfolg.
1.a) Die Kostenentscheidung zu Lasten des Antragsgegners zu 1) hätte bereits deshalb nicht ergehen dürfen, weil die formellen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung nicht vorlagen. Zwar sind die Regelungen in § 269 ZPO und damit auch § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auf die Rücknahme eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich entsprechend anzuwenden (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 269 Rz. 17). Eine Kostenentscheidung nach der zuletzt genannten Vorschrift setzt allerdings voraus, dass der Anlass zur Einreichung der Klage bereits vor Rechtshängigkeit entfallen ist. Wird eine Klage zurückgenommen, obwohl das erledigende Ereignis erst nach Rechtshängigkeit eingetreten ist, kann die Vorschrift keine Anwendung finden; vielmehr sind die Kosten des Rechtsstreits gem. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zwingend dem Kläger aufzuerlegen (BGH NJW 2007, 1460). Eine Umdeutung der Klagerücknahme in eine Erledigungserklärung nach § 91a ZPO kommt in einem derartigen Fall ebenfalls nicht in Betracht (BGH NJW 2007, 1460).
Vorliegend ist das erledigende Ereignis erst nach Rechtshängigkeit eingetreten. Das Schreiben des gegnerischen Prozessbevollmächtigten vom 10.4.2008, das die Antragstellerin zum Anlass für die Rücknahme ihres Antrags genommen hat, ist ihr erst einen Tag nach Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung zugegangen. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtshängigkeit des Antrags bereits begründet. Denn anders als eine Klage in einem gewöhnlichen Erkenntnisverfahren (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) wird ein Antrag auf Erlass eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung nach ganz herrschender Auffassung nicht erst mit der Zustellung an den Gegner, sondern schon mit dem Eingang bei Gericht rechtshängig (OLG Köln, GRUR 2001, 425; KG MDR 1993, 481; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., vor § 916 Rz. 5 m.w.N.). Die abweichende Einordnung des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass das Gericht über den Erlass einer einstweilige Verfügung oder eines Arrest gem. §§ 922, 937 Abs. 2 ZPO durch Beschluss entscheiden kann, ohne den Gegner am Verfahren beteiligen zu müssen (KG MDR 1993, 481).
Darüber hinaus besteht auch kein Anlass, die Regelung in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO - ungeachtet ihres eindeutigen und unmissverständlichen Wortlauts - auf die vorliegende Konstellation entsprechend anzuwenden (so aber OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 527, 528; Schuschke, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., § 935 Rz. 30; zu Recht ablehnend hingegen Baumbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 920 Rz. 8. f. u. 18, § 921 Rz. 6; Musielak/Huber, ZPO, 6. Aufl., § 922 Rz. 10a). Denn nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der juristischen Methodenlehre setzt die analoge Anwendung einer gesetzlichen Bestimmung eine planwidrige Regelungslücke voraus (BGH MDR 2008, 1292; vgl. i. E. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 3. Aufl., S. 191 ff., insb. S. 194), die vorliegend nicht ersichtlich ist.
Bereits vor Inkrafttreten der Neuregelungen in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO war allgemein anerkannt, dass ein Antrag auf Erlass eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung auch ohne vorherige Zustellung an den Gegner in der Hauptsache für erledigt erklärt werden kann, weil für den Eintritt der Rechtshängigkeit und damit für die Begründung eines entscheidungsfähigen Streitverhältnisses die bloße Einreichung des Antrags bei Gericht genügt (OLG Köln GRUR 2001, 424; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 493; Schuschke, ...