Leitsatz (amtlich)
Zur Unverhältnismäßigkeit der Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 22.03.2007; Aktenzeichen 543 StVK 180/07) |
LG Berlin (Entscheidung vom 05.07.2005; Aktenzeichen B 16 / 1 Bra Js 4099/04 VRs) |
Tenor
1.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 22. März 2007 aufgehoben.
2.
Der Vollzug der mit dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Juli 2005 angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird ab dem 14. Juni 2007 für erledigt erklärt.
3.
a)
Die Dauer von fünf Jahren der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht wird nicht verkürzt.
b)
Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung des zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
c)
Der Verurteilte wird angewiesen, sich einmal monatlich bei dem Bewährungshelfer nach dessen oder der Führungsaufsichtsstelle zu bestimmenden Zeitpunkten zu melden sowie jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle mitzuteilen.
d)
Der Verurteilte wird darauf hingewiesen, daß er gemäß § 145a StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann, wenn er während der Führungsaufsicht gegen die ihm gemäß § 68b Abs. 1 StGB erteilten Weisungen verstößt und dadurch den Zweck der Führungsaufsicht vereitelt.
4.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit und in der Vorinstanz entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Das Landgericht Berlin ordnete durch das im Sicherungsverfahren ergangene Urteil vom 5. Juli 2005 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an ( § 63 StGB).
Mit dem angefochtenen Beschluß bestimmte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin die Fortdauer der Unterbringung. Die sofortige Beschwerde ( § 463 Abs. 5, 462 Abs. 3 Satz 1 StPO) des Untergebrachten hat Erfolg.
I.
1.
Gegenstand des Verfahrens war folgender Geschehensablauf:
Der Beschwerdeführer, ein norwegischer Staatsangehöriger, der in Spanien lebte, hielt sich im Jahre 2004 zwecks Ankaufs von Kraftfahrzeugen in Berlin auf. Da es in diesem Zusammenhang zu Schwierigkeiten kam (unter anderem wartete der Beschwerdeführer auf die Rückerstattung einer Sicherheitsleistung von 400 Euro durch die Polizei), blieb er einige Monate hier. Seine - zum Teil nicht fahrfähigen - Kraftfahrzeuge parkte er zunächst zeitweise auf einem Lidl-Parkplatz und danach in einer Sackgasse in Berlin-Lankwitz. In einem der Fahrzeuge wohnte er. Im übrigen bewegte er sich im Straßenverkehr mit dem Fahrrad und verbrachte viele seiner Tage im Internet-Cafe bei "Dunkin' Donuts" in der Steglitzer Schloßstraße.
Aufgrund seiner Neigung, nur seine eigenen Regeln, nicht aber die Gesetze und Rechtsvorstellungen anderer seinen Handlungen zugrundezulegen, geriet er (wegen des Dauerparkens) mit der Firma Lidl und später (weil er in den Verdacht geraten war, an einem Leergutautomaten manipuliert zu haben) mit Kaufhausmitarbeitern in Streit. Die deswegen jeweils ausgesprochenen Hausverbote mißachtete er, weil er sie nicht als gerechtfertigt ansah. Da er sich in allen Fällen trotz Aufforderung nicht freiwillig entfernte, mußte er durch Polizeibeamte abgeführt werden, was er jeweils gewaltlos hinnahm. Auch im Internet-Cafe begann er am 13. September 2004 mit einem Jugendlichen einen Streit, weil dieser dort rauchte. Das war zwar nicht verboten; der Beschwerdeführer, der Zigarettenrauch verabscheut, sah sich aber dadurch körperlich angegriffen. Am nächsten Tag, dem 14. September 2004 kehrte der Jugendliche mit einem etwa 40-jährigen Mann zurück. Beide setzten sich in die Nähe des Beschwerdeführers und rauchten. Erneut empfand er das als gewollte Provokation und als Angriff auf seine Gesundheit. Er forderte den Älteren daher auf, die Zigarette zu löschen. Als dieser sich weigerte, drückte der Beschwerdeführer einen Stuhl gegen dessen Kopf und Halswirbelbereich. Nachdem sein Gegner den Stuhl zur Seite gedrückt hatte, nahm er ihn in den Schwitzkasten und drückte so auf den Hals, daß sich dessen Gesicht dunkelrot bis bläulich verfärbte und er kurz bewußtlos wurde. Als der Untergebrachte bemerkte, daß sein Opfer sich nicht mehr wehrte, ließ er von ihm ab und verlangte selbst, die Polizei zu alarmieren. Er erhielt ein lebenslanges Hausverbot, das er am nächsten Tag zweimal mißachtete. Gegenüber den Mitarbeitern äußerte er Rachegedanken, weil er sich (wegen des Angriffs durch den Zigarettenrauch) im Recht wähnte und durch das Hausverbot um die Möglichkeit gebracht wurde, seine Internet-Monatskarte noch auszunutzen.
In den Morgenstunden der Nacht vom 15. zum 16. September 2004 brannte die "Dunkin' Donuts" Filiale, in der sich das Internet-Cafe befunden hatte, durch Brandstiftung völlig aus. Wegen der Vorkommnisse am 14. und 15. September 2004, die ihrerseits nicht zu seiner Festnahme geführt hatten, geriet er in Verdacht,...