Entscheidungsstichwort (Thema)

Besorgnis der Befangenheit wegen Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrags

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 227 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 16.06.2006; Aktenzeichen 3 O 509/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Berlin vom 16.6.2006 - 3 O 509/05 - wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Der Wert der Beschwerde entspricht dem der Hauptsache.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf einen Vorschuss zur Beseitigung von Baumängeln in Anspruch. Mit Verfügung vom 13.1.2006 hat das LG die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens und die Zustellung der Klage angeordnet. Vor Ablauf der insgesamt vierwöchigen Klageerwiderungsfrist hat es diese Frist auf Antrag der Beklagten um drei weitere Wochen verlängert. Nachdem auch innerhalb der verlängerten Frist keine Klageerwiderung eingegangen war, hat das LG mit Verfügung vom 16.3. Haupttermin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Mit Schriftsatz vom 28.3. hat die Beklagte die Verlegung dieses Termins auf einen späteren Zeitpunkt beantragt, da ihr Prozessbevollmächtigter aufgrund einer Terminskollision verhindert sei. Diesen Antrag hat das LG nach Anhörung der Kläger mit Verfügung vom 29.3.2006 zurückgewiesen, worauf die Beklagte den erkennenden Richter mit Schriftsatz vom 10.4.2006 als befangen ablehnte. Den Befangenheitsantrag hat die zuständige Zivilkammer des LG mit Beschluss vom 15.5.2006 zurückgewiesen, der der Beklagten am 23.5.2006 zugestellt worden ist. Gegen den das Ablehnungsersuchen zurückweisenden Beschluss wendet sich die Beklagte nunmehr mit ihrer am 6.6.2006 eingegangenen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat.

II.1. Die gem. §§ 45 Abs. 2, 569 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

2. Das LG hat mit der angefochtenen Entscheidung das gegen den Richter am LG Dr. M. gerichtete Ablehnungsgesuch zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen, auf die in entsprechender Anwendung von § 540 ZPO Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Bemerkungen Anlass:

a) Eine Ablehnung gem. § 42 Abs. 2 ZPO kann grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Rechtsauffassung oder auf eine Verfahrenshandlung gestützt werden, weil es im Ablehnungsverfahren allein um eine mögliche Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen geht, deren Überprüfung ausschließlich mit den hierfür vorgesehenen Rechtsmitteln zu erfolgen hat. Lediglich im Ausnahmefall sind Verfahrensweise und Rechtsauffassung Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Begründung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters ggü. der Partei beruht (KG NJW 2005, 2104; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rz. 24 ff., insb. 28, m.w.N.). Ein derartiger Ausnahmefall liegt jedoch - wie das LG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt hat - nicht vor.

Nach h.M. und ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann die Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrags ein Befangenheitsersuchen nach § 42 Abs. 2 ZPO nur dann rechtfertigen, wenn die Gründe für den Verlegungsantrag erheblich i.S.v. § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO sind und darüber hinaus mit der Ablehnung des Antrags eine augenfällige Ungleichbehandlung der Prozessparteien zum Ausdruck kommt (KG v. 6.10.2004 - 15 W 98/04, KGReport Berlin 2005, 110 = MDR 2005, 708; v. 6.10.2004 - 15 W 96/04, KGReport Berlin 2005, 140; OLG Brandenburg v. 30.9.1998 - 1 W 32/98, OLGReport Brandenburg 1998, 465 = NJW-RR 1999, 1291 [1292]; OLG Köln v. 8.11.2002 - 11 W 73/02, MDR 2003, 170; v. 5.8.2004 - 13 U 35/04, OLGReport Köln 2004, 404 [405]; v. 29.1.1999 - 8 W 1/99, OLGReport Köln 1999, 163 = NJW-RR 2000, 591 [592]; OLG Zweibrücken v. 15.10.1998 - 3 W 225/98, MDR 1999, 113 m. Anm. Schneider = OLGReport Zweibrücken 1999, 93; OLG Schleswig v. 2.9.1993 - 16 W 193/93, NJW 1994, 1227; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 42 Rz. 50; Feiber in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 42 Rz. 29 f.; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 42 Rz. 10).

Eine solche restriktive Auslegung der Vorschrift ist nicht nur deshalb angezeigt, weil es nicht der gesetzlichen Intention entspricht, einzelne im Laufe eines Rechtsstreits zu treffende Entscheidungen des erkennenden Gerichts im Verfahren nach § 42 Abs. 2 ZPO inhaltlich nachzuprüfen. Hinzu kommt ein weiterer durchschlagender Gesichtspunkt. Nach der in § 227 Abs. 4 S. 3 ZPO getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers ist die Ablehnung eines Antrags auf Vertagung oder Terminsverlegung grundsätzlich unanfechtbar. Würde es für einen erfolgreichen Befangenheitsantrag ausreichen, dass der abgelehnte Richter einem Terminverlegungsantrag abgelehnt hat, obwohl nach Auffassung des für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag zuständigen Gerichts erhebl...

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