Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg gegen Wissenserklärungen der Justizverwaltung

 

Leitsatz (amtlich)

Die zu einem Zivilprozeßverfahren erteilte Auskunft des Gerichtsvorstandes Ober das Ergebnis seiner Ermittlungen zur Frage der Richtigkeit des Eingangsstempels auf der Klageschrift und zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage ist als bloße Wissenserklärung zulässigerweise nicht nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar.

 

Normenkette

EGGVG §§ 23-24

 

Tenor

Der Antrag wird nach einem Wert von 5.000,– DM zurückgewiesen.

 

Gründe

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG gegen Äußerungen des Direktors des Amtsgerichts Charlottenburg in Berlin zur Frage der Richtigkeit des Eingangsstempels auf einer Klageschrift und zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage im Rechtsstreit 19 C 554/88 des Amtsgerichts Charlottenburg. Die gegen den jetzigen Antragsteller als Beklagten gerichtete Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach dem Miethöhegesetz (MHG) trägt den gerichtlichen Eingangsstempel vom 2. November 1988. Danach wäre die Klage gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 MHG verspätet gewesen. Der dortige Kläger beantragte beim Prozeßgericht, „den Eingangsstempel dahin zu berichtigen”, daß die Klage bereits am 31. Oktober 1988 eingegangen ist, was rechtzeitig wäre. Dazu führte näher aus, die Klage sei an diesem Tage in der Gemeinsamen Briefannahme des Amtsgerichts Charlottenburg abgegeben worden. Der auf Veranlassung des Prozeßrichters zur Klärung dieser Frage befaßte Direktor des Amtsgerichts teilte dem Kläger schriftlich mit, nach Überprüfung des Sachverhalts und Rücksprache mit dem Leiter der Briefannahmestelle stehe fest, daß die Klage bereits am 31. Oktober 1988 in der Briefannahmestelle eingegangen und der Eingangsstempel unrichtig sei. Eine Durchschrift dieser Mitteilung gab er u. a. zu den Prozeßakten. Die Prozeßinstanzen gingen unter Berücksichtigung der Äußerung des Direktors des Amtsgerichts im Wege freier Beweiswürdigung davon aus, die Klage sei am 31. Oktober 1988, also rechtzeitig eingegangen. Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten antragsgemäß, dem Mieterhöhungsverlangen zuzustimmen, das Landgericht wies seine Berufung durch Urteil vom 15. Januar 1993 zurück. Er stellt nunmehr den am 3. März 1993 eingegangenen Antrag nach § 23 EGGVG festzustellen, daß der Direktor des Amtsgerichts nicht befugt war festzustellen, daß die Klage rechtzeitig, d. h. vor dem 1. November 1988 eingegangen sei, hilfsweise die Maßnahme des Direktors des Amtsgerichts auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

Für das Begehren des Antragstellers ist allerdings der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nach § 23 EGGVG gegeben. Nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 25 EGGVG entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden. Zwar unterlagen rein behördeninterne Vorgänge mangels der für die Anfechtbarkeit in jedem Fall erforderlichen Außenwirkung der Maßnahme nicht der gerichtlichen Nachprüfung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG (Kissel und MünchKomm ZPO-Wolf, je a.a.O.). Um einen rein behördeninternen Vorgang handelt es sich hier indessen schon deshalb nicht, weil der Direktor des Amtsgerichts das Ergebnis seiner Ermittlungen zur Richtigkeit des Eingangsstempels auf der Klageschrift und zur Frage, wann die Klageschrift tatsächlich eingegangen ist, abschriftlich dem Prozeßgericht zum Rechtsstreit 19 C 554/88 des Amtsgerichts Charlottenburg und jedenfalls auch dem Kläger des dortigen Rechtsstreits mitgeteilt hat. Auch muß es sich bei der Maßnahme der Justizverwaltung im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG nach neuerer, auch vom Senat geteilter Rechtsauffassung nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts handeln, sondern gilt die Rechtswegzuordnung des § 23 EGGVG ihrem Sinn und Zweck nach auch für sonstige Maßnahmen der Justizbehörden auf den in § 23 EGGVG genannten Gebieten, die mangels einer unmittelbaren rechtlichen Außenwirkung keine Verwaltungsakte sind, also auch für schlicht hoheitliches Handeln (vgl. Senat NJW 1987, 197; Kissel, GVG, § 23 EGGVG Rn. 28 m.w.N.), folglich auch im vorliegenden Fall. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollte mit der Schaffung des § 23 EGGVG die gerichtliche Kontrolle über Maßnahmen der Justiz- und Vollzugsbehörden der Verwaltungsgerichtsbarkeit insgesamt entzogen und den Oberlandesgerichten als der sachnäheren Gerichtsbarkeit übertragen werden (Senat, a.a.O. m.w.N.).

Der Antrag ist jedoch nach § 24 EGGVG des Antragstellers unzulässig. Soweit die Zulässigkeit des Antrages nach dieser Bestimmung voraussetzt, daß der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme in seinen Rechten verletzt zu sein, kommt es auf eine unmittelbare Rechtsverletz...

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