Leitsatz (amtlich)

1. Das Nachverfahren nach § 33a StPO unterteilt sich in zwei Abschnitte: die Nachholung des rechtlichen Gehörs oder die Ablehnung eines darauf gerichteten Antrages (Nachholungsverfahren) und die Überprüfung des Beschlusses, sofern das rechtliche Gehör nachträglich zu gewähren war (Überprüfungsverfahren).

2. Der Beschwerde unterliegen nur im Nachholungsverfahren getroffene, die Nachholung des rechtlichen Gehörs ablehnende Entscheidungen, nicht dagegen die im Überprüfungsverfahren ergehenden Beschlüsse.

3. Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen.

4. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war.

5. Das Maß der aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgenden Erörterungspflicht wird nicht nur durch die Bedeutung des Vortrags der Beteiligten für das Verfahren, sondern auch durch die Schwere eines zur Überprüfung gestellten Grundrechtseingriffs bestimmt.

6. Nach der Vollziehung einer Durchsuchung, die ohne Anhörung des Beschuldigten angeordnet ist, ist die Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens von besonderer Bedeutung.

7. Die Verletzung rechtlichen Gehörs kann im Anhörungsrügeverfahren dadurch geheilt werden, dass sich das Gericht nunmehr mit dem Vorbringen des Betroffenen inhaltlich befasst.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 10.03.2015)

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 24.09.2014)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. März 2015 aufgehoben.

Das Verfahren über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 24. September 2014 in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 11. Dezember 2014 wird in die Lage zurückversetzt, die vor dem Erlass des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 19. Februar 2015 bestand.

Der Beschluss vom 19. Februar 2015 ist gegenstandslos.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Berlin führt ein Ermittlungsverfahren wegen (unter anderem) Untreue gegen die Rechtsanwälte M., P. und B., das aufgrund einer am 18. Juni 2014 von Rechtsanwalt U. im Namen seines Mandanten S. erstatteten Strafanzeige eingeleitet wurde. Gegenstand der Anzeige war im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

S., der ab 1996 Gelder in Immobilien investiert und Häuser saniert habe, sei in den Jahren 1999 bis 2005 bei rechtlichen Auseinandersetzungen mit verschiedenen Vertragspartnern umfassend durch die Rechtsanwälte I. B. und M. M. vertreten worden. Das Mandat habe im Streit über Honorare geendet. Am 17. September 2006 sei ein abschließender Vergleich geschlossen worden, in dem sich S., sein Stiefsohn C. Pr., die Pr. GmbH & Co. KG sowie weitere Beteiligte zur Zahlung eines Bruttobetrages von 290.000,- Euro an die genannten Rechtsanwälte verpflichtet hätten. Der Betrag sei am 17. Januar 2007 gezahlt worden. Eine weitere Folge der Immobilienaktivitäten sei gewesen, dass die von Rechtsanwalt P. vertretene Z. gegen S. Titel in Höhe von insgesamt 976.107,10 Euro zuzüglich Zinsen erstritten habe. S. und Pr. hätten die Forderungen in mehreren Teilbeträgen beglichen. Der Restbetrag in Höhe von 746.066,43 Euro sei Ende Februar 2013 vereinbarungsgemäß auf das Konto des Prozessbevollmächtigten P. gezahlt worden. Dieser habe hiervon am 11. März 2013 einen Betrag in Höhe von 284.342,13 Euro auf das Konto seiner Ehefrau S.P. überwiesen, die ihrerseits wenige Tage später einen Betrag von 250.000,- Euro auf das Konto der Mutter von Rechtsanwalt M., A. M., überwiesen habe. Rechtsanwalt M., der für dieses Konto eine Vollmacht besitze, habe den genannten Betrag wenige Tage später an die Tochter von Rechtsanwalt B. überwiesen. Es sei somit davon auszugehen, dass von der an die Z. geleisteten Zahlung ein Anteil von 250.000,- Euro an die Rechtsanwälte B. und M. und ein Teilbetrag von 34.342,13 Euro an Rechtsanwalt P. bzw. dessen Ehefrau geflossen sei. Dies lasse sich nur damit erklären, dass die Rechtsanwälte B. und M. daran mitgewirkt haben müssten, dass die Z., vertreten durch Rechtsanwalt P., mit ihren Klagen gegen S. Erfolg gehabt habe; denn eine andere Erklärung für eine Zuwendung in Höhe von 250.000,- Euro sei nicht ersichtlich. Zudem seien die Z. und deren Prozessbevollmächtigter in den Prozessen und der nachfolgenden Vollstreckung stets überraschend gut über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des S. und seines Stiefsohns informiert gewesen. Es bestehe daher der Verdacht des Parteiverr...

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