Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG gegen die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 23 EGGVG gegen die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwalter ist in Berlin gegen den Vorstand des AG zu richten.
2. Die Bewerbung um Aufnahme in die Vorauswahlliste kann nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil der Bewerber ein bestimmtes Alter erreicht hat; die Entscheidung über die Festlegung einer solchen Altersgrenze (hier von 62 Jahren) hat der Gesetzgeber zu treffen (Anschluss an OLG Hamm ZIP 2007, 1722 = NZI 2007, 659).
Normenkette
InsO § 56; EGGVG § 23
Tenor
Der Bescheid der Antragsgegnerin zu 2 vom 1.3.2007 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, den Antragsteller unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers werden bei einem Verfahrenswert i.H.v. 3.000 EUR der Staatskasse auferlegt.
Gründe
A. Bei der Antragsgegnerin zu 2 wird eine sog. Vorauswahlliste geeigneter Bewerber i.S.d. § 56 InsO geführt. Mit Schreiben vom 18.12.2006 bewarb sich der am 20.12.1944 geborene Antragsteller um die Aufnahme in diese Vorauswahlliste.
Mit Schreiben vom 1.3.2007, dem Antragsteller am 14.3.2007 zugestellt, hat die Antragsgegnerin zu 2 dem Antragsteller mitgeteilt, die Insolvenzrichter/innen hätten ihn nicht in die Vorauswahlliste aufgenommen, weil er das 62. Lebensjahr bereits vollendet habe bzw. bald vollenden werde, so dass er bei einer durchschnittlichen Dauer eines eröffneten Verfahrens von drei Jahren das gesetzliche Renteneintrittsalter, das bei dem AG Charlottenburg als Höchstgrenze gelte, bei Verfahrensabschluss bereits erreicht hätte.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem zunächst auch gegen das Kollegium der Insolvenzrichter (Antragsgegner zu 1) und nunmehr allein gegen die Antragsgegnerin zu 2 gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 5.4.2007, der am 10.4.2007 bei Gericht eingegangen ist.
B.I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozessrechts, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist gegen Rechtsprechungsakte der Gerichte nicht eröffnet. Die Entscheidung über die Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter und Treuhänder des Insolvenzgerichts ist kein Rechtsprechungsakt (BVerfG NJW 2004, 2725, 2727). Es handelt sich um die Entscheidung einer Justizbehörde, gegen die effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist, Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG (BVerfG, a.a.O., 2728). Hierzu dient das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG (KG, 16. ZS, OLGReport 2006, 414, 415; OLG Koblenz, NZI 2005, 453, 454; OLG München ZIP 2005, 670; OLG Schleswig, NZI 2005, 333, 334; vgl. auch die Begründung zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens, BT-Drucks. 16/3227, 38).
Der schriftliche Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung der Antragsgegnerin vom 1.3.2007 gestellt worden, § 26 Abs. 1 EGGVG. Der Antragsteller hat auch geltend gemacht, in seinem Recht auf freie Berufsausübung beeinträchtigt worden zu sein, § 24 Abs. 1 EGGVG.
Richtiger Antragsgegner ist die Antragsgegnerin zu 2 (vgl. § 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.9.2007, ABl. S. 2641; § 16 AGGVG). Der Senat folgt insoweit der Auffassung des 16. Zivilsenats des KG (a.a.O.), wonach das beanstandete Justizverwaltungshandeln der Behörde zuzuordnen ist und der Umstand, dass die Antragsgegnerin zu 2 das Vorauswahlverfahren auf die Insolvenzrichter aus Gründen der Sachnähe delegiert hat, sie nicht aus der Verantwortung nimmt, die Antragsgegnerin vielmehr gehalten wäre, die erforderliche Vorauswahl nach pflichtgemäßem Ermessen durch ihre Verwaltungsabteilung selbst durchzuführen, wenn die Insolvenzrichter sie nicht vornehmen sollten (vgl. KG, a.a.O., 415; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 630, 632). Soweit die OLG Köln und Hamm (OLG Köln, NZI 2007, 105, 106; OLG Hamm ZIP 2007, 1722 = NZI 2007, 659) die Insolvenzrichter als die zutreffenden Antragsgegner angesehen haben, erfordert diese Abweichung keine Vorlage an den BGH gem. § 29 Abs. 1 S. 2 EGGVG (vgl. BGH ZIP 2007, 1379 zum Vorlagebeschluss des OLG Frankfurt, NZI 2007, 524).
II. Der Antrag ist auch begründet.
1. Bei der Bewerbung um eine Tätigkeit im Rahmen von Insolvenzverfahren muss jeder Bewerber eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werd...