Leitsatz (amtlich)
Maßstab der Ermessensentscheidung gemäß § 74 JGG ist einerseits, eine wirtschaftliche Gefährdung des Verurteilten zu vermeiden, ihm andererseits aber durch die Auferlegung der Kosten zu zeigen, dass er für die Folgen seines Tuns einzustehen hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 15.06.2006; Aktenzeichen (524) 80 Js 24/06 KLs (13/06)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die ihn betreffende Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Berlin - Jugendkammer - vom 15. Juni 2006 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Landgericht Berlin - Jugendkammer - hat gegen den Beschwerdeführer wegen schweren Raubes in vier Fällen eine einheitliche Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt und ihm die Kosten des Verfahren nach § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO auferlegt. Von der Vorschrift des § 74 JGG hat das Landgericht keinen Gebrauch gemacht. Die sofortige Beschwerde (§ 2 JGG, § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO) gegen die Kostenentscheidung hat keinen Erfolg. Die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 304 Abs. 3 Satz 1 StPO, wonach der Beschwerdewert 200 Euro übersteigen muß, ist erfüllt, weil der Beschwerdeführer zu zwei Jahren Jugendstrafe verurteilt worden ist, was allein (ohne gerichtliche Auslagen, die hinzutreten) eine Gebühr von 360,-- Euro nach sich zieht (KV Nr. 3112 Anl. 1 zu § 3 GKG; zur gebührenrechtlichen Gleichsetzung von Jugendstrafe und Freiheitsstrafe vgl. Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl., Vorbem. 3.1 KV Rdn. 13).
Gemäß §§ 74, 109 Abs. 2 JGG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, ob dem zur Tatzeit heranwachsenden Verurteilten die Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Das Landgericht hat sein Ermessen frei von Rechtsfehlern, auf die allein die Prüfung durch das Beschwerdegericht beschränkt ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 6. Juli 2006 - 4 Ws 92/06 - und vom 12. August 1998 - 4 Ws 167/98 -; Eisenberg JGG, 11. Aufl. § 74 Rdn. 8), ausgeübt. Maßstab der Ermessensentscheidung ist einerseits, eine wirtschaftliche Gefährdung des Verurteilten zu vermeiden, ihm andererseits aber durch die Auferlegung der Kosten zu zeigen, daß er für die Folgen seines Tuns einzustehen hat (vgl. Senat, Beschluß vom 2. Oktober 2001 - 5 Ws 642/01-). Die den Richter nicht bindende Nr. 1 der Richtlinien zu § 74 JGG sieht vor, daß die Kosten und Auslagen dem Betroffenen nur auferlegt werden sollen, wenn anzunehmen ist, daß er sie aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen kann, und wenn ihre Auferlegung aus erzieherischen Gründen angebracht erscheint. Dabei kommt bei Heranwachsenden - wie dem Beschwerdeführer - eine Belastung mit Kosten und Auslagen eher in Betracht als bei Jugendlichen. Der zeitliche Ausgangspunkt dieser Erwägungen ist mithin das Stadium des Heranwachsenden bezogen auf sein zukünftiges Leben im Erwachsenenalter (vgl. Senat aaO).
Mit Recht hält die Jugendkammer es erzieherisch für geboten, dem Verurteilten, der bislang seinen ausschweifenden Lebensstil durch Straftaten finanzierte, zu verdeutlichen, was es bedeutet, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu finanzieren. Da das Landgericht darauf hingewiesen hat, daß eine tatsächliche Belastung mit den Kosten erst dann in Betracht kommt, wenn der Verurteilte über ausreichende Einkünfte verfügt, kommt es entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht darauf an, ob er in absehbarer Zeit ausreichend Geld verdienen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2567268 |
NStZ-RR 2007, 64 |