Leitsatz (amtlich)
1. Kein Vorrang des Anspruchs auf Familienunterhalt gem. § 1360 BGB gegenüber dem Anspruch auf Betreuungsunterhalt gem. § 1615l Abs. 2 BGB.
2. Anteilige Haftung des mit der Mutter nicht verheirateten Vaters analog § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB bei konkurrierenden Betreuungsunterhaltsansprüchen der Mutter gegen ihren Ehemann einerseits und den nicht mit ihr verheirateten Vater ihres Kindes andererseits auch bei intakter Ehe der Mutter.
3. Kein Wegfall des Anspruchs der Mutter auf Betreuungsunterhalt gegen den nicht mit ihr verheirateten Vater ihres Kindes gem. § 1586 Abs. 1 BGB analog bei Fortsetzung der mit einem anderen Mann zum Zeitpunkt der Zeugung des Kindes bereits bestehenden Ehe.
4. Ausschluss des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt (§ 1615l Abs. 2 BGB) gem. § 1579 Nr. 2 BGB analog nur bei grober Unbilligkeit.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 30.01.2014; Aktenzeichen 121 F 19668/13) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - vom 30.1.2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.982,76 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt von dem Antragsgegner Betreuungsunterhalt wegen Pflege und Erziehung des gemeinsamen minderjährigen Kindes ..., geboren am ... Mai 20... Beide Beteiligten leben in ehelicher Gemeinschaft mit ihrem jeweiligen Ehegatten zusammen. Beide haben ein bzw. zwei Kinder aus ihren jeweiligen ehelichen Beziehungen. In dem Haushalt des Antragsgegners leben außer seiner Ehefrau seine beiden derzeit 8 und 14 Jahre alten Töchter, L.-A.und E.-L. Die Antragstellerin lebt mit ihrem Ehemann, der gemeinsamen derzeit 11-jährigen Tochter N.L.und C.zusammen. C.ist aus einem außerehelichen Verhältnis der Beteiligten hervor gegangen. Die Beteiligten haben nie zusammen gelebt. Die Vaterschaft des Antragsgegners zu C.wurde durch einen außergerichtlich durchgeführten Vaterschaftstest geklärt. Am 8.5.2012 erkannte der Antragsgegner die Vaterschaft vor dem Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zur Beurk.-Reg. Nr. 451/2012 an. Am 20.9.2012 wurde gerichtlich festgestellt, dass der Ehemann der Antragstellerin nicht der Vater von C.ist. Der Beschluss ist seit dem 30.10.2012 rechtskräftig. Unter dem 12.11.2012 stimmte die Antragstellerin der Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsgegner vor dem Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin zur Beurk.-Reg. Nr. 1104/2012 zu. Am 29.10.2013 reichte die Antragstellerin Antrag auf Zahlung von Betreuungsunterhalt gegen den Antragsgegner beim AG Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - ein.
Die Antragstellerin hat der Berechnung ihres Bedarfs nicht ihre ehelichen Lebensverhältnisse (Einkommen des Ehemannes: nach Angaben des Antragsgegners mindestens 4.000 EUR netto als Beamter beim Zoll, Einkommen der Antragstellerin aus Teilzeitbeschäftigung als Englischlehrerin: 1.150,74 EUR netto), sondern ihr Einkommen vor Geburt des Kindes zugrunde gelegt. Ausgehend von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.150,74 EUR hat sie erstinstanzlich für die Zeit vom 22.9.2011 bis zum 22.3.2012 unter Berücksichtigung des von ihr bezogenen Elterngeldes einen monatlichen Unterhalt von 1.150,75 EUR - (771 EUR Elterngeld - 330 EUR gem. § 11 BEG) = 679,74 EUR geltend gemacht. Für die Zeit ab dem 23.3.2012, ab dem sie kein Elterngeld mehr bezog, hat sie monatlich unter Berücksichtigung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Antragsgegners im Hinblick auf anderweitige Unterhaltspflichten für zwei minderjährige Kinder einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 683,72 EUR bis Mai 2014 beansprucht. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Seiten 5 - 6 der Antragsschrift vom 25.10.2013 (Bl. 5-6 d.A.) Bezug genommen.
Das Familiengericht hat dem Antrag der Kindesmutter überwiegend statt gegeben. Es hat den Anspruch der Antragstellerin aus § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB dem Grunde nach bejaht. Dabei ist es in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur anteiligen Haftung analog § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB bei konkurrierenden Betreuungsunterhaltsansprüchen der Mutter ehelicher und nichtehelicher Kinder gegen den getrennt lebenden Ehemann einerseits und den nichtehelichen Vater andererseits (BGH, Beschl. v. 21.1.1998, FamRZ 1998, 541 - 544) von einer im Grundsatz gleichrangigen Unterhaltspflicht ausgegangen. Ein Rangverhältnis in der Form, dass der Anspruch gegen den Ehemann der stärkere sei und der gegen den nichtehelichen Vater dahinter zurücktrete, gebe es nicht. Die Tatsache, dass die Mutter ihre bis zur Geburt des Kindes C.ausgeübte Erwerbstätigkeit als Englischlehrerin allein wegen der Geburt und Betreuung des Kindes C.aufgegeben habe, während das ehelich geborene Kind der Antragstellerin, N.L., bereits in einem Alter gewesen sei, dass es einer Berufstätigkeit der Antragstellerin nicht entgegen gestanden habe, rechtfertige es, für den Betreuungsunterhalt den Antragsgegner als den Vater des...