Leitsatz (amtlich)
Das Recht eines Betroffenen, sich nach §§ 137 Abs. 1 Satz 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen, umfasst vor dem Hintergrund des darin zum Ausdruck kommenden Rechts auf ein faires Verfahren auch die Befugnis, sich im Ordnungswidrigkeitenverfahren von einem gewählten Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 28.09.2018; Aktenzeichen 347 OWi 686/17) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 28. September 2018 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 11. April 2017 hat der Polizeipräsident in Berlin gegen den Betroffenen wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 260 Euro festgesetzt, ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet und dieses mit einer Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG versehen.
Hiergegen hat der Betroffene form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Nachdem fünf Hauptverhandlungstermine jeweils auf Antrag der Verteidigung vor dem Hintergrund von Erkrankungen des Betroffenen bzw. Verhinderungen des Verteidigers aufgehoben worden waren, hat das Amtsgericht den Termin zur Hauptverhandlung auf den 28. September 2018 bestimmt. Die Ladung ist dem Verteidiger am 30. Juli 2018 zugegangen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2018 hat dieser beanstandet, dass ihm bisher die Einsicht in die Messdaten im tuff-Format nicht gewährt worden sei, woraufhin das Gericht mit Verfügung vom 15. August 2018 die Daten von der Behörde erfordert hat. Nach Eingang dieser am 13. September 2018 hat die zuständige Dezernentin am 17. September 2018. die Mitteilung über das Vorliegen der Daten an den Verteidiger verfügt und ihm ergänzende Akteneinsicht gewahrt. Da eine Übersendung dieser Nachricht an den Verteidiger weder per Fax möglich, noch dieser telefonisch zu erreichen war, wurde das Schreiben schließlich, auf den Postweg gegeben; sodass es erst am 27. September 2018 bei diesem eingegangen ist. Noch am gleichen Tag hat er die Verlegung des für den Folgetag geplanten Hauptverhandlungstermins beantragt, da ihm die Einsicht in die nun vorliegenden Messdaten noch nicht möglich gewesen und beabsichtigt sei, diese an den von der Verteidigung beauftragten Sachverständigen zur Auswertung zu übermitteln.
Mit Urteil vom 28. September 2018 hat das Amtsgericht Tiergarten den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 11. April 2017 verworfen, da er im Hauptverhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war, obgleich er nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden gewesen ist. Zur Begründung hat das Gericht Folgendes ausgeführt:
"Dem Aussetzungsantrag des Verteidigers, der dem Gericht am heutigen Vormittag zuging und mit dem der Verteidiger erneut Akteneinsicht beantragt, um die Falldatei im Tuff-Format einzusehen, wird nicht stattgegeben. Es bestand bereits ausreichend Gelegenheit zur Akteneinsicht. Die Akte mit den entsprechenden Rohmessdaten ist bereits durch Verfügung vom 11.12.2017 an den Verteidiger zur Akteneinsicht übersandt worden. Erneute Übersendung der Rohmessdaten wurde mit Schreiben vom 13.3.2018 angeboten. Bereits am 10.10.2017, 17.11.2017, 09.02.2018, 02.03.2018 und 16.03.2018 waren Termine anberaumt und auf Anträge der Verteidigung verlegt worden.
Mit Verfügung vom 17.09.2018 abgesandt am 19.09.2018 wurde der Verteidigung erneut Akteneinsicht gewahrt.
Der erhobene Einspruch war daher nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen."
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt auf die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG statthafte und in zulässiger Weise erhobene Verfahrensrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Das nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangene Verwerfungsurteil hat keinen Bestand, weil das Amtsgericht durch die Ablehnung des Terminverlegungsantrages gegen seine prozessuale Fürsorgeflicht verstoßen hat.
Das Gericht hat den Einspruch des Betroffenen ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil zu verwerfen, wenn dieser ohne genügende Entschuldigung ausbleibt, obwohl er nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden war, § 74 Abs. 2 OWiG. Die Entschuldigung eines Ausbleibens im Termin ist dann als genügend anzusehen, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betroffenen einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. August 2018 - 3 Ws (B) 194/18 -, juris).
Der Betroffene war in diesem Sinne genügend entschuldigt, da der Verteidi...