Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Befristung der Erinnerung nach § 128 Abs. 4 BRAGO
Verfahrensgang
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 04.08.2003; Aktenzeichen 19 F 2910/00) |
KG Berlin (Aktenzeichen 18 UF 8152/00) |
AG Berlin-Pankow/Weißensee (Aktenzeichen 11 AR 30/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 4.8.2003 abgeändert:
Die Rechtsanwalt K. aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung wird unter Abänderung der Verfügung des Kostenbeamten des AG Pankow/Weißensee vom 30.8.2001 auf 1.132,16 DM festgesetzt.
Gründe
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1) ist gem. § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Die von dem Beschwerdeführer eingelegte Erinnerung gegen die Festsetzung durch den Kostenbeamten ist entgegen der Auffassung des AG zulässig. Sie unterliegt keiner Befristung.
Die Frist des § 7 S. 1 GKG ist nicht entsprechend anwendbar. Entgegen der von v. Eicken (v. Eicken in Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 128 Rz. 27) vertretenen Auffassung ist eine solche Analogie zumindest dann nicht gerechtfertigt, wenn es um den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts geht. Es fehlt bereits an einer Rechtsähnlichkeit der Fallgestaltungen. § 7 GKG will den Kostenschuldner vor zeitlich unbegrenzten Nachforderungen der Justizkasse schützen. Im Anwendungsbereich des § 121 BRAGO wäre eine vergleichbare Situation nur bei Rückforderungsansprüchen der Landeskasse gegen den beigeordneten Rechtsanwalt gegeben. Solche Fälle betreffen auch regelmäßig die diese Analogie heranziehenden obergerichtlichen Entscheidungen (vgl. z.B. LSG Niedersachsen JurBüro 1999, 589; OLG Düsseldorf v. 17.1.1995 - 10 WF 11/99, OLGReport Düsseldorf 1995, 243; OLG Frankfurt v. 4.3.1991 - 2 WF 34/91, FamRZ 1991, 1462). Ob dem zu folgen wäre, kann hier offen bleiben. Zumindest zu Gunsten der Landeskasse ist diese Analogie nicht gerechtfertigt. Für gegen die Justizkasse gerichtete Ansprüche enthält das GKG in § 10 eine abweichende, allein auf die Verjährung abstellende Regelung. Da sich auch der Anspruch des Prozesskostenhilfeanwalts gegen die Landeskasse richtet, könnte allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift erwogen werden.
Eine Analogie zu § 7 GKG widerspräche auch der gesetzgeberischen Wertung. Der Gesetzgeber hat für die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung des Prozesskostenhilfeanwalts keine Frist vorgesehen. Dies ist ersichtlich bewusst geschehen und beruht nicht etwa auf einem Versehen, da auch für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung ausdrücklich keine Frist gelten sollte. Die Verweisung in § 128 Abs. 4 BRAGO nimmt die in § 10 Abs. 3 S. 3 BRAGO bestimmte Frist gerade aus. Diese Entscheidung, im Verfahren über die Festsetzung nach § 128 BRAGO Rechtsmittel unbefristet zuzulassen, ist bei der Rechtsanwendung zu akzeptieren. Daher fehlt es auch für die vereinzelt vertretene Ansicht (so OLG Koblenz JurBüro 1983, 579), der Rechtsanwalt sei bereits 3 Monate nach der Festsetzung zur Einlegung einer Erinnerung nicht mehr befugt, an einer gesetzlichen Grundlage. Der Hinweis auf das Erfordernis der Rechtssicherheit geht fehl, da der Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt durch den Verzicht auf eine Befristung der Rechtsmittel gerade keine Bedeutung beigemessen hat.
Das Rechtsmittel ist ebenso wenig wie der Vergütungsanspruch verwirkt. Für eine Verwirkung materiell-rechtlicher Ansprüche reicht nach zutreffender allgemeiner Ansicht (vgl. z.B. Palandt/Heinrichs, 61. Aufl., § 242 Rz. 93 ff.) allein der Zeitablauf nicht aus. Hinzu kommen müssen - als sog. Umstandsmoment - daneben ein Verhalten des Berechtigten, das geeignet ist, auf der Gegenseite den Eindruck zu erwecken, sie werde künftig von Ansprüchen verschont werden, und ferner ein entsprechendes Verhalten der Gegenseite, nämlich dass sie sich hierauf eingerichtet hat und z.B. anderweitige finanzielle Dispositionen unterlassen hat (st. Rspr. des BGH, z.B. NJW-RR 1995, 109). Vergleichbares gilt für die Verwirkung eines Rechtsmittels (vgl. z.B. BVerfG BVerfGE 32, 305; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rz. 10), insb. reicht auch insoweit allein der Zeitablauf für eine Verwirkung nicht aus (vgl. z.B. BGH BGHZ 43, 289 [292]; KG v. 14.1.1997 - 1 W 8000/95, KGReport Berlin 1997, 178 = ZEV 1997, 247; BayObLG NJW-RR 1007, 389). Das sog. Umstandsmoment kann hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts z.B. gegeben sein, wenn die Landeskasse die Einstellung der Ratenzahlung durch die Partei wegen - vermeintlicher - Deckung der Kosten angeordnet hat. Weder dies noch etwas Vergleichbares ist hier aber gegeben. Dem bloßen Zeitablauf trägt die kurze Verjährung des materiellen Anspruchs - hier nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F. - hinreichend Rechnung.
Dem Rechtsmittel ist auch in der Sache stattzugeben, da durch die Anhörung der Frau M. vor dem 18. Zivilsenat des KG eine Beweisaufnahmegebühr nach § 118 Abs. 1 S. 3 BRAGO entstanden ist. Auch in den dem Amtsermittlungsgrund...