Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens ist die Vorwegnahme der Würdigung einer Beweisaufnahme in begrenztem Umfang zulässig.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 26.10.2005; Aktenzeichen 13 O 310/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Berlin vom 26.10.2005 - 13 O 310/05 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit der Behauptung, der Beklagte habe die Justizvollzugsbediensteten K. und H. verletzt, nimmt der Kläger ihn auf Erstattung der Aufwendungen in Anspruch, die ihm nach seinem Vortrag aus diesen Verletzungen entstanden sind.
Hinsichtlich der Verletzung des Bediensteten K. ist die Verletzung durch den Beklagten zwischen den Parteien nicht im Streit, der Beklagte bestreitet insoweit jedoch, dass die Krankschreibung des K., für die hier Ersatz begehrt wird, in einem ursächlichen Zusammenhang mit den fraglichen Vorfällen stehe.
Das LG Berlin (Einzelrichter) hat dem Beklagten für die beabsichtigte Verteidigung gegen die Inanspruchnahme wegen der bestrittenen Verletzungen des H. antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt, das Prozesskostenhilfegesuch im Übrigen aber mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung zurückgewiesen.
Gegen diesen ihm am 3.11.2005 zugestellten Beschl. v. 26.10.2005 hat der beklagte die am 8.11.2005 eingegangene "Beschwerde" eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat (Beschl. v. 28.11.2005).
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die nach § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheidende sofortige Beschwerde ist nach §§ 5677 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulässig.
In der Sache hat sie keinen Erfolg.
Das LG hat mit zutreffender Begründung dem Beklagten die von ihm erbetene Prozesskostenhilfe verwehrt, soweit er sich gegen die Erstattung der durch die unstreitige Verletzung des K. entstandenen Kosten wendet.
Der Beklagte wendet sich vergebens gegen die Prognose des LG hinsichtlich der Erfolgsaussichten seiner Verteidigung. Die von ihm zu der Frage des Verbots der Vorwegnahme der Beweiswürdigung angeführten Entscheidungen betreffen überwiegend die Würdigung möglicher Zeugenbeweise (BGH NJW 1988, 267; OLG Bremen v. 20.4.1999 - 1 W 3/99, OLGReport Bremen 1999, 293 = MDR 1999, 1327). Dass die Beweisantizipation in diesem Bereich regelmäßig nicht zulässig ist, entspricht allgemeiner Meinung, braucht hier aber nicht vertieft zu werden, weil es darum hier nicht geht.
Vielmehr ist hier nur im Streit, ob die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verletzung erfolgte Krankschreibung des K. durch einen Facharzt für Neurolgie, Psychiatrie und Psychotherapie auch in innerem Zusammenhang damit steht. Nach dem Akteninhalt sind ernsthafte Zweifel daran nicht erkennbar. In dieser Lage ist es allgemeine Ansicht der Fachgerichte, dass eine Beweisantizipation in eng begrenztem Rahmen zulässig ist, nämlich dann, wenn eine Beweisaufnahme zwar in Betracht kommt, aber konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme zum Nachteil des Antragstellers ausgehen werde (so auch das vom Beklagten zitierte OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 484, 485, das die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für erforderlich hält, wenn ernsthafte Zweifel am Ausgang der Beweiserhebung berechtigt sind). Diese Rechtsprechung ist durch das BVerfG wiederholt gebilligt worden (BVerfG v. 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976 ff.; v. 3.6.2003 - 1 BvR 1355/02, NJW-RR 2003, 1216 ff.; jeweils m.w.N.)
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Es bestehen keine ernstzunehmenden Zweifel daran, dass die psychischen Probleme des Verletzten auf die hier in Frage stehenden Vorfälle zurückzuführen sind. Der Beklagte selbst vermag insoweit auch nicht ansatzweise irgendeinen Anhaltspunkt vorzubringen. Vielmehr beschränkt er sich auf den Vortrag, es sei zu bestreiten, dass insoweit ein ursächlicher Zusammenhang bestehe.
In Übereinstimmung mit dem LG beurteilt der Senat diese Frage eindeutig zu Lasten des Beklagten. Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, würde in diesem Punkt wegen des absehbaren Misserfolges von der Prozessführung absehen.
III. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Fundstellen
Haufe-Index 1481380 |
OLGR-Ost 2006, 406 |