Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl ist unwirksam, wenn sie im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257c StPO erfolgt, bei der der Angeklagte nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt wurde.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 13.07.2016; Aktenzeichen (576) 242 Js 967/12 Ns (32/16)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 2016 mit Ausnahme der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Angeklagten am 3. März 2015 wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in zwei Fällen und Bankrotts in zwei Fällen einen Strafbefehl erlassen, durch den eine Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100,- Euro verhängt wurde. Auf den Einspruch des Angeklagten wurde er durch das Amtsgericht Tiergarten am 7. März 2016 wegen (vorsätzlicher) Insolvenzverschleppung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35,- Euro verurteilt, hinsichtlich der Vorwürfe des Bankrotts wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Das Urteil beruhte auf einer Verständigung gemäß § 257c StPO. Auf die mit dem Ziel des Freispruchs eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 35,- Euro verurteilt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte in zulässiger Weise Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
II.
Das Rechtsmittel hat mit der zulässig erhobenen Sachrüge teilweise (vorläufigen) Erfolg.
1. Das Landgericht ist - was das Revisionsgericht im Falle einer zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen hat - im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch unwirksam ist.
a) Allerdings ist die Einspruchsbeschränkung nicht bereits deshalb unwirksam, weil die Feststellungen des Strafbefehls keinerlei Angaben zur Höhe der Forderungen, denen die vom Angeklagten übernommenen Gesellschaften ausgesetzt waren, enthalten. Unwirksam ist eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur, wenn die Feststellungen zur Tat so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen und deshalb keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Auflage, § 318 Rnr. 16 m.w.N.; Senat, Beschluss vom 4. November 2016 - [4] 161 Ss 171/16 [192/16] -; OLG Koblenz NZV 2013, 411 m. zust. Anm. Sandherr; OLG Dresden DAR 2014, 396). Dies ist vorliegend bei den Feststellungen im Strafbefehl jedoch nicht der Fall. Denn zum einen sind die zur Bestimmung des Umfangs des Strafklageverbrauchs und der Reichweite der Rechtskraft des Urteils erforderlichen Feststellungen zur unverwechselbaren Identifizierung der Taten getroffen. Zum anderen enthalten die Feststellungen alle Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO. § 15a Abs. 4 InsO setzt nicht voraus, dass offene Forderungen in einer bestimmten Höhe bestehen müssen, um den Tatbestand zu erfüllen. Damit ist der Unrechts- und Schuldgehalt dieser Taten - wenn auch in groben Zügen - ausreichend dargestellt. Zwar lässt der Strafbefehl im Übrigen Feststellungen vermissen, die zur Beurteilung der Strafzumessung der jeweiligen Einzeltaten erforderlich sein können, insbesondere solche zum Umfang der Höhe der offenen Verbindlichkeiten. Das Fehlen dieser unrechtsbeschreibenden Feststellungen gefährdet den Schuldspruch als solchen aber nicht (vgl. OLG Koblenz und OLG Dresden jeweils aaO. m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt aaO., § 318 Rnr. 17a m.w.N.). Die unrechtsbeschreibenden Feststellungen nehmen als doppelrelevante Tatsachen zwar an der Bindungswirkung teil, wenn der Schuldspruch rechtskräftig wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass solche unrechtsbeschreibenden Feststellungen bereits in den Schuldfeststellungen enthalten sein müssen, wenn sie Grundlage einer späteren Strafzumessung sein sollen. Vielmehr kann und ggf. muss das Rechtsmittelgericht insoweit ergänzende Feststellungen treffen, die freilich mit den rechtskräftigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen dürfen (vgl. OLG Koblenz und OLG Dresden jeweils aaO. m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt aaO.).
b) Vorliegend ist die Einspruchsbeschränkung jedoch deshalb unwirksam, weil die Beschränkung im Rahmen einer Verständigung gem. § 257c StPO erfolgte und der Angeklagte nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt wurde. Zwar sind Prozesshandlungen wie der Rechtsmittelverzicht oder Teilverzicht in Form einer ...