Leitsatz (amtlich)

1. Für die Entscheidung über das gegen einen Einzelrichter am OLG gerichtete Ablehnungsgesuch ist der Senat in voller Besetzung zuständig.

2. Eine Freundschaft zwischen dem Prozessbevollmächtigten einer Partei und dem abgelehnten Richter ist kein Grund, eine Voreingenommenheit anzunehmen. Sie ist lediglich im Rahmen der Gesamtwertung der zur Begründung des Ablehnungsgesuchs vorgebrachten Umstände zu berücksichtigen.

3. Eine Voreingenommenheit des abgelehnten Richters kann nicht allein daraus entnommen werden, dass er sich in einer angespannten Verhandlungssituation einer saloppen, umgangssprachlichen Fomulierung bedient.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 15 O 620/03)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.12.2006; Aktenzeichen IX ZB 60/06)

 

Tenor

Das gegen den Richter ... gerichtete Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 27.1.2006 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.1.2006 den nach § 526 ZPO als Einzelrichter mit dem Rechtsstreit befassten Richter ... als befangen abgelehnt. Sie hat das Ablehnungsgesuch mit Schriftsatz vom 30.1.2006 begründet. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz verwiesen (Bl. 249-256 d.A.). Der Richter ... hat unter dem 3.2.2006 eine dienstliche Äußerung abgegeben, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 257 d.A. verwiesen wird. Beide Parteien hatten Gelegenheit, zum Vorgang Stellung zu nehmen. Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24.2.2006 (Bl. 281-283) und vom 6.3.2006 (Bl. 287-293 d.A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.2.2006 (Bl. 260-280 d.A.) verwiesen.

II. Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

1. Für die Entscheidung ist der Senat unter Hinzuziehung des nach dem Geschäftsverteilungsplans des KG zuständigen Vertreters und nicht die nach der senatsinternen Geschäftsverteilung zuständige Vertreterin des abgelehnten Richters als Einzelrichterin zuständig.

a) Nach § 122 GVG entscheiden die Senate der OLG - soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze an Stelle des Senats der Einzelrichter zu entscheiden hat - in der Besetzung von drei Mitgliedern einschl. des Vorsitzenden. Für die Entscheidung über ein gegen den Einzelrichter gerichtetes Ablehnungsgesuch ist nach der ZPO eine Einzelrichterzuständigkeit nicht begründet.

Bis zum In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) zum 1.1.2002 entsprach es gefestigter, von der Literatur ganz überwiegend gebilligter Rechtsprechung, dass im Fall der Ablehnung eines einem Kollegialgericht (Kammer, Senat) angehörenden Einzelrichters der Spruchkörper in voller Besetzung ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zur Entscheidung über das Ablehnungsgesucht berufen ist (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rz. 4, m.w.N., und die Nachweise in der Entscheidung: OLG Oldenburg v. 15.7.2005 - 14 W 8/05, MDR 2006, 169 = OLGReport Oldenburg 2006, 269 = NJW-RR 2005, 1660). Nach dem In-Kraft-Treten des ZPO-Reformgesetzes wird die Frage in der obergerichtlichen Rechtsprechung dagegen unterschiedlich beurteilt. Die im Vordringen begriffene Ansicht geht dahin, dass im Fall der Ablehnung eines einem Spruchkörper angehörenden Einzelrichters dessen regelmäßiger Vertreter zu entscheiden hat, wobei Ansatzpunkt der Argumentation die Einführung des originären Einzelrichter nach § 348 ZPO n.F. ist (OLG Karlsruhe v. 23.6.2003 - 9 W 43/03, OLGReport Karlsruhe 2003, 523; v. 24.6.2004 - 9 W 35/04, OLGReport Karlsruhe 2004, 490; KG v. 12.4.2004 - 15 W 2/04, MDR 2004, 1377 = KGReport Berlin 2004, 391 = NJW 2004, 2104 f.; OLG Naumburg v. 24.5.2005 - 10 W 25/05, OLGReport Naumburg 2005, 830 = MDR 2005, 1245 f.; OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 931; OLG Naumburg v. 18.1.2005 - 10 W 82/04, OLGReport Naumburg 2005, 789 ff.; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.11.2005 - 3 W 220/05, OLGReport Zweibrücken 2006, 311). Der Senat schließt sich jedenfalls für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, das sich gegen den gem. §§ 526, 527 Abs. 4 ZPO obligatorischen Einzelrichter am OLG richtet, der bisher herrschenden Ansicht an, die trotz der Einführung des originären Einzelrichters und der Neufassung von § 45 ZPO durch das ZPO-RG weiterhin Geltung beanspruchen kann (vgl. OLG Frankfurt v. 26.4.2004 - 1 W 26/04, OLGReport Frankfurt 2004, 271 f.; OLG Schleswig v. 14.9.2004 - 16 W 97/04, OLGReport Schleswig 2005, 10 f.; OLG Oldenburg v. 15.7.2005 - 14 W 8/05, MDR 2006, 169 = OLGReport Oldenburg 2006, 269 = NJW-RR 2005, 1660; OLG Köln v. 23.3.2005 - 8 W 4/05, OLGReport Köln 2005, 481 ff.; OLG Oldenburg v. 8.12.2004 - 15 W 23/04, OLGReport Oldenburg 2005, 82, für den Fall des obligatorischen Einzelrichters).

Nach § 45 ZPO n.F. entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO n.F. entspricht - bis auf den Zusatz "ohne dessen Mitwirkung" - demjenigen des § 45 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO a.F. In der Einzelbegründung zu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge