Leitsatz (amtlich)

1. Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist auch nach dem Inkrafttreten des StVollzG Bln (GVBl. 2016, S. 152) nach den §§ 109 ff. StVollzG (des Bundes) zu beurteilen.

2. Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern, die eine einstweilige Anordnung betreffen, unterliegen regelmäßig keiner Anfechtung und keiner Abänderung oder Aufhebung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

3. Zwar sind Maßnahmen des Anstaltsarztes ebenso wie Maßnahmen sonstiger Bediensteter der Justizvollzugsanstalt im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG überprüfbar. Antragsgegner im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG ist jedoch nicht der Anstaltsarzt, sondern die Vollzugsbehörde.

4. Unabhängig davon, ob sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die ärztliche Maßnahme als solche oder aber gegen die hierauf ergangene Entscheidung des Anstaltsleiters richtet, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle, soweit es um die medizinische Behandlung geht, auf die Wahrung der Grenzen des pflichtgemäßen ärztlichen Ermessens.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 16.01.2017; Aktenzeichen 594 StVK 321/16 Vollz)

 

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 16. Januar 2017 wird verworfen.

2. Der Antrag des Gefangenen vom 14. Februar 2017 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

3. Der Gefangene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde und des Antrags auf einstweilige Anordnung zu tragen.

4. Der Streitwert wird für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 50,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Mit seinem am 27. Dezember 2016 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 109 Abs. 1 StVollzG) begehrte der Gefangene, den leitenden Anstaltsarzt zur Herausgabe näher bezeichneter Dokumente und Datenträger zu verpflichten, die seine (des Antragstellers) medizinische Behandlung in der Justizvollzugsanstalt Tegel betrafen, und ihn im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, "von allen erfassten Daten im medizinischen Bereich und ausschließlich den Antragsteller als Patient betreffend" Doppel zur Sicherung von Verlust zu fertigen. Adressat der Anträge war ausdrücklich der Ärztliche Dienst der Justizvollzugsanstalt Tegel, vertreten durch den leitenden Anstaltsarzt.

Das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - hat diese Anträge mit Beschluss vom 16. Januar 2017 als unzulässig zurückgewiesen, da sie sich nicht gegen die Justizvollzugsanstalt Tegel als zuständige Vollzugsbehörde richteten.

Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, dass Partei des Verfahrens der Anstaltsarzt und gerade nicht die Anstaltsleitung der Justizvollzugsanstalt Tegel sei. Die angefochtene Entscheidung verletze ferner den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie § 244 StPO. Über seinen Eilantrag habe die Kammer nicht mehr entscheiden dürfen, da dieser zurückgenommen worden sei. Der Gefangene beantragt ferner eine Eilentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren, da er schwer krank sei und zwingend die Einsicht in seine Krankenakte benötige. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat auf die Begründung der Rechtsbeschwerde und des Eilantrags Bezug.

A. Rechtsbeschwerde

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 118 StVollzG) ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist nach den §§ 109 ff. StVollzG zu beurteilen. Denn auch nach dem Inkrafttreten des StVollzG Bln (GVBl. 2016, S. 152) gelten die Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes des Bundes über das gerichtliche Verfahren (§§ 109-121 StVollzG) weiter (§ 117 Nr. 4 StVollzG Bln).

1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die von der Strafvollstreckungskammer ausgesprochene Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richtet, ist das Rechtsmittel schon nicht statthaft, da Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern, die eine einstweilige Anordnung betreffen, nach § 114 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 StVollzG keiner Anfechtung unterliegen. Dies gilt sowohl für stattgebende als auch für ablehnende Entscheidungen (vgl. BVerfGK 7, 403; BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2007 - 2 BvR 2395/06 -; BGH NJW 1979, 664; OLG Jena OLGSt StVollzG § 116 Nr. 2; ZfStrVo 2004, 379; KG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 Ws 297/13 Vollz - m.w.N.; Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - 5 Ws 160/15 Vollz -). Soweit nach zum Teil vertretener Auffassung Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen werden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1993, 557; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 114 StVollzG Rdn. 5 m.w.N.; dagegen: Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschnitt P Rdn. 64 m.w.N.; Spaniol in AK-StVollzG 7. Aufl., Teil IV § 115 StVollzG Rdn. 12), betrifft dies Fälle, in denen durch die Aussetzung des Vollzuges oder die einstweilige Anordnung eine endgültige Regelung getroffen, die Hauptsache also vorweggenommen wird. Eine solche Konstellation ist hier nicht gegeben.

Sow...

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